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#Dorfkinder: Hohn aus den Glaspalästen der urbanen Deutungshoheit

#Dorfkinder: Hohn aus den Glaspalästen der urbanen Deutungshoheit

#Dorfkinder: Hohn aus den Glaspalästen der urbanen Deutungshoheit

Dorffest in Zenting im Bayerischen Wald
Dorffest in Zenting im Bayerischen Wald
Dorffest in Zenting im Bayerischen Wald Foto: picture alliance/ dpa
#Dorfkinder
 

Hohn aus den Glaspalästen der urbanen Deutungshoheit

Es begann als Werbekampagne des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Doch unter dem Hashtag #Dorfkinder kübelte schon bald die mediale Großstadtelite ihren Haß auf Menschen vom Land aus. Genau wie bei den Reaktionen auf die Bauernproteste zeigt sich darin die Ignoranz der ewigen Stadtjugendlichen gegenüber dem Leben auf dem Land. Ein Kommentar von Boris T. Kaiser.
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Wenn man annimmt, daß es das Ziel einer jeden Kampagne ist, stets die maximal mögliche Aufmerksamkeit zu generieren, ist der von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner initiierte Hashtag „Dorfkinder“ ein voller Erfolg. Seit Tagen wird Twitter mit Kommentaren dazu regelrecht geflutet. Ein Großteil der ach so urbanen Nutzer des sozialen Netzwerks reagiert allerdings nicht gerade positiv auf die #Dorfkinder. Stattdessen strömt aus den Tweets der ewigen Stadtjugendlichen, deren Zuhause – zumindest gefühlt – schon immer Berlin und das Internet war, die pure Verachtung für die in ihren Augen zurückgebliebenen Hinterwäldler in der deutschen Provinz.

Zwar wird die Kampagne des Bundeslandwirtschaftsministerium auch von vielen der betroffenen Dorfkindern kritisiert, die zu recht bemängeln, daß Sprüche wie „Dorfkinder haben den Dreh raus“ oder „Dorfkinder bringen neues Leben in alte Mauern“ auch keine schnellere Internetverbindung und bessere Infrastruktur herbeizaubern. Ein Großteil des Hohns, der sich über die Werbeoffensive für das Landleben ergießt, kommt allerdings aus der Stadt und richtet sich gegen die Landbevölkerung.

Sophie Paßmann erinnert sich an Hitlergruß-Dorfkind

Die ist den selbsternannten progressiven Irgendwas-mit-Medien-Übermenschen noch immer zu rückständig, zu traditionsverhaftet, zu heimatverbunden und vor allem zu weiß. Mit weiß assoziiert der digitale linksliberale Bubble Head mit Medienhintergrund vor allem eins: Nazis! Der deutsche Autor, Journalist und Kollegenjäger Mario Sixtus twitterte etwa mit Blick auf die Dorfkinder-Kampagnenfotos: „Die Kinder so weiß! Sind die mit Arier gewaschen?“

Ähnlich lustiges zwitscherte die linke Comedy-Frau Sophie Paßmann. In vermeintlicher Erinnerung an ihre Dorf-Vergangenheit schrieb sie: „Bei mir auf dem Dorf gab es einen, der immer, wenn er besoffen war ‘Deutschland den Deutschen‘ gerufen und den Hitler-Gruß gemacht hat. Er hatte aber wohl keine Zeit für den Fototermin zur Kampagne.“

Oft sind es solche Einzelbeispiele und Negativ-Erlebnisse, die das Urteil jener zu prägen scheinen, die sich sonst eine Übertragung von Einzelfällen auf die große Mehrheit streng verbieten. „Bei mir im Dorf gab es eine Gruppe mit 17 bis 19 jährigen jungen Männern, die Freitags zum Intersport gefahren sind, um sich Zahnschutz zu kaufen, weil sie am Wochenende für Schlägereien ins Mölltal gefahren sind“, berichtet der österreichische Podcaster Rosi Rosinger unter dem trendenden Hashtag.

Die Landbevölkerung wählt nicht Rot-Rot-Grün

Die Amadeu Antonio Stiftung gesteht immerhin zu, daß es auch „coole #Dorfkinder“ gibt. Aber die machen in ihrer Freizeit vor allem eins: Sie „plakatieren gegen #Nazis“. Was sollte man als junger Mensch auf dem Dorf auch anderes zu tun haben? Nazis gibt es schließlich überall. Vor allem auf dem Land, wo beachtliche Teile der Bevölkerung sich noch immer standhaft weigern, Rot-Rot-Grün zu wählen.

Die Klöckner-Kampagne scheint für viele Anhänger des politischen Mainstreams eine willkommene Gelegenheit zu sein, um endlich einmal so richtig abzurechnen mit den widerspenstigen Bewohnern der vom global-gesellschaftlichen Zeitgeist völlig unbeeindruckten gallischen Dörfer des 21. Jahrhunderts. Schon bei den Bauernprotesten der letzten Wochen zeigte sich das tiefe Unverständnis der Reißbrett-Ideologen in Berlin und anderswo für die realen Sorgen und Nöte der Landwirte, die immer mehr darunter ächzen, auf ihren Feldern und in ihren Ställen das umsetzen zu müssen, was sich die glorreichen Architekten der schönen neuen Welt in ihren sterilen Wirkungsstätten der Macht so ausdenken.

Auch der österreichische Intersport-Podcaster twitterte damals schon kopfschüttelnd: „Weiß nicht, wie schlau das ist, mit den größten Traktoren gegen zu strenge Umweltschutz-Regeln zu protestieren. Am Geld mangelt es denen anscheinend nicht.“ Als unter Tausenden von Traktoren, die als motorisierte Protestwelle durch das ganze Land rollten, endlich zwei oder drei entdeckt wurden, an deren Front Transparente mit „Nazisymbolik“ auszumachen waren, konnte man den Stein, der vielen Großstadtjournalisten vom Herzen gefallen ist, wohl noch im entlegensten Dörfchen der Republik aufschlagen hören. So wie schon Sekunden später das Schiebegeräusch der großen Schublade, in die sie die Proteste von nun an guten Gewissens einsortieren konnten.

Öko nur in der Theorie

So grün die mediale politische Klasse auch sein mag: Mit dem Plebs vom Land wollen die Öko-Theoretiker aus der City nichts zu tun haben. All die schönen und um jeden Preis schützenswerten Landschaften sind erst dann so richtig schön, wenn sie von möglichst vielen Windrädern geziert werden; und der Bauer und seine Dorfkinder sollen gefälligst liefern, wonach es den Königen der Großstadt in ihren Glaspalästen der Deutungshoheit so gelüstet – und ansonsten den Mund halten und zuhause bleiben.

Dorffest in Zenting im Bayerischen Wald Foto: picture alliance/ dpa
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