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Einigung über 1,8 Billionen Euro: Der Brüsseler Kompromiß könnte noch zur Zeitbombe werden

Einigung über 1,8 Billionen Euro: Der Brüsseler Kompromiß könnte noch zur Zeitbombe werden

Einigung über 1,8 Billionen Euro: Der Brüsseler Kompromiß könnte noch zur Zeitbombe werden

Ursula von der Leyen (v.l.), Emmanuel Macron und Charles Michel
Ursula von der Leyen (v.l.), Emmanuel Macron und Charles Michel
Ursula von der Leyen (v.l.), Emmanuel Macron und Charles Michel Foto: picture alliance/Francisco Seco/AP Pool/dpa
Einigung über 1,8 Billionen Euro
 

Der Brüsseler Kompromiß könnte noch zur Zeitbombe werden

Die EU sollte den „sparsamen Vier“ dankbar sein. Ohne ihre Standhaftigkeit wären der Transfer-und Schuldenunion und damit der Spaltung der EU Tür und Tor geöffnet worden. Der Brüsseler Kompromiß könnte sich aber trotzdem noch als faul erweisen. Ein Kommentar von Jürgen Liminski.
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Die Europäische Union ist der institutionalisierte Kompromiß. Weder Bundesstaat noch Staatenbund sondern ein „Staatenverbund“ (Paul Kirchhof), ein Euro-Raum und doch unterschiedliche Wirtschaftspolitiken, und generell, das heißt vertraglich vereinbart, ein Kreditverbot für die Kommission und jetzt doch ein Billionenkredit. Der Kompromiß von Brüssel kann sich allerdings noch als Zeitbombe erweisen, der die EU auf Dauer sprengt. Denn bei Geld hört auch unter Staaten oft die Freundschaft auf.

Mit der Einigung auf 390 statt 500 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuschüsse haben die „sparsamen Vier“, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gern als die geizigen Vier bezeichnet, vermutlich den Euro gerettet. Sie wollen sich an die Verträge halten und betrachten die Zuschüsse als Ausnahme in einer Krisensituation. Und wenn die Lage mit und nach Corona keine Krise ist, was ist dann eine Krise?

Dennoch muß auch in einer Krisensituation die Vernunft der Maßstab sein. Geld ohne Bedingungen einfach zu verschenken würde vor allem die Mafia erfreuen. Die Vier hatten recht, die Zuschüsse zu begrenzen und für sie auch konkrete Reformen zu verlangen. Ohne ihre Standhaftigkeit, für die die anderen Europäer dankbar sein sollten, wären der Transfer-und Schuldenunion und damit der Spaltung der EU Tür und Tor geöffnet worden. Es war das Nein der sparsamen Vier – Österreich, Niederlande, Schweden und Dänemark – plus Finnland, das dem Kompromiß den Charakter der Ausnahme verlieh.

Die Kanzlerin kann zufrieden sein

Macron und seine südeuropäischen Gefolgsleute hätten gern mehr geschenktes Geld gesehen. Sie führten sich in Brüssel auf, als hätten sie Anspruch auf Geschenke und als ob die EU ein Wunschkonzert wäre. Überhaupt operieren sie gern nach einer Parole des Römers Horaz: „Verdiene Geld. Verdiene es, wenn du kannst, auf anständige und ehrliche Weise. Falls nicht, verdiene es irgendwie.“ Jetzt bekommen sie es irgendwie und sollten mit den Reformen – auch unpopulären – dafür sorgen, daß es anständig verdientes Geld wird. Damit würden sie die EU als kompromißfähigen Verbund stärken.

Für Deutschland als ehrlichen Makler (zusammen mit dem belgischen Ratspräsidenten Charles Michel) ist die Brüsseler Einigung durchaus tragbar. Als Land, dessen Wirtschaft jeden zweiten Euro im Exportgeschäft verdient, muß Deutschland ein Interesse daran haben, daß die anderen EU-Länder, insbesondere Frankreich, nicht zusammenbrechen.

Auch dafür hat Horaz ein mahnendes Wort: „Brennet des Nachbarn Wand, so bist du selber gefährdet.“ Die Kanzlerin kann zufrieden sein. Das umso mehr, als der potentielle Störenfried im Innern, die CSU, mit einer kleinen Kutschfahrt auf Herrenchiemsee für Monate stillgelegt wurde. Denn der bayerische Ministerpräsident, der seit einiger Zeit mit so viel Luft im Brustkasten herumläuft, daß er immer wieder abhebt, gab bei dem Treffen mit der Kanzlerin vollmundig kund, daß man ihre EU-Politik hundertprozentig mittrage. Da kann Staatsmann Söder jetzt nicht kleinlich meckern. Seine Getreuen in Straßburg und Brüssel rufen entsprechend laut allen zu, die es hören und nicht hören wollen: Der Kompromiß ist ein großer Erfolg, Brüssel ist toll.

Die Unbekannte in der Kompromiß-Formel

Von dieser Seite hat Merkel also keinen Ärger zu erwarten. Problematisch wird es, wenn es an die Konkretisierung der Reformbemühungen geht, den gern vergessenen Teil des Kompromisses. Vor allem in Italien und Frankreich wird man sich sträuben und auf die Souveränität besinnen – erst recht, wenn schon Geld geflossen ist.

Immerhin stehen in beiden Ländern in absehbarer Zeit Wahlen an und da verteilt man lieber Geld als es einzusammeln. Nur, wenn es bei den Reformen hakt, könnte sich die Brüsseler Übereinkunft im Nachhinein noch als faul erweisen. Damit wäre niemandem geholfen. Aber das ist die Unbekannte bei der Kompromiß-Formel.

Ursula von der Leyen (v.l.), Emmanuel Macron und Charles Michel Foto: picture alliance/Francisco Seco/AP Pool/dpa
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