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Corona-Proteste: Der rationale Kern

Corona-Proteste: Der rationale Kern

Corona-Proteste: Der rationale Kern

Demonstration gegen Corona-Maßnahmen
Demonstration gegen Corona-Maßnahmen
Demonstration gegen Corona-Maßnahmen: Weltanschaulich nicht klar zu verorten Foto: picture alliance/SULUPRESS.DE
Corona-Proteste
 

Der rationale Kern

Im Zuge der Corona-Pandemie wurden Dinge beschlossen, die zuvor nicht durchsetzbar waren. Das Mißtrauen gegenüber den Manipulationen der Politik kommt nicht von ungefähr – und es sollte nicht weniger, sondern mehr werden. Ein Kommentar von Thorsten Hinz.
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Die Frage, ob die Teilnehmerzahl bei der Berliner Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen im fünf- oder sechsstelligen Bereich lag, ist unerheblich. Die Zahl war augenscheinlich größer, als man angesichts des medialen, politischen und sozialen Drucks, dem die als „Covidioten“ geschmähten Regierungskritiker ausgesetzt sind, erwarten durfte. Wer gegen die Regierungspolitik auf die Straße geht, muß erst einmal seine Angst überwinden. Wie begründet sie ist, zeigt die stellvertretende Abstrafung eines demonstrierenden Basketball-Spielers, dem umgehend vom Verein gekündigt wurde.

Mit aller Kraft wird die nächste Kundgebung am 29. August sabotiert. Busunternehmen stehen unter Druck, und ein mäßig begabter Kabarettist, der die Sprechweise der erklärten „Querdenker“ zu zerlegen versucht, wird als „Starkomiker“ installiert.

Nun sind die Reden, Losungen und Äußerungen, die man aus dieser spontan entstandenen Bewegung vernimmt, tatsächlich diffus, von Emotionen gesteuert und von politischer Reflexion oder Programmatik weit entfernt. Aus medizinischer Sicht sind sie teilweise zweifelhaft. Einen rationalen Kern enthalten sie dennoch. Viele Menschen fühlen sich als unfreiwillige Probanden in einem riesigen Feldversuch, mit dem erprobt wird, wie man eine große Population neu strukturiert, normiert, ihr Verhalten bis ins Detail steuert und ihr gleichzeitig die Überzeugung einpflanzt, in völliger Freiwilligkeit einer höheren Einsicht und Moral zu folgen.

Regierung hat das manipulative Potential der Corona-Pandemie erkannt

So markiert die Mund-Nasen-Maske einen Bruch mit der tradierten Alltagskultur. Unsere Kommunikation vollzieht sich weitgehend nonverbal. Über den Gesichtsausdruck signalisieren wir Sympathie, Anteilnahme, Mißbilligung; durch ihn tauschen wir uns mit dem unbekannten Gegenüber aus, daß wir nichts voneinander zu befürchten haben. Eben deshalb empfinden wir den islamischen Gesichtsschleier auf unseren Straßen als so bedrohlich. Die Maskenpflicht – ob sinnvoll oder nicht – enthält den Zwang zur kulturellen Selbstentfremdung.

Die Politik hat die Corona-Pandemie nicht erfunden; sie hat jedoch ihr manipulatives Potential früh erkannt und genutzt. Im vertraulichen Strategiepapier der Bundesregierung – inzwischen im Internet nachzulesen – ist von einer „gewünschten Schockwirkung“ die Rede. Es müsse an die „Urangst“ jedes Menschen vor dem Ersticken appelliert werden mit dem Ziel, daß „Politik und Bürger (…) als Einheit agieren“. Der Demos wird als formbare Masse betrachtet, der durch psychologische Tricks auf Gefolgschafts­treue verpflichtet wird.

In den Zusammenhang gehören die Dauerbeschallung mit der „zweiten Welle“, die voyeuristische Darstellung schwerer Symptomatik und die täglichen Alarmmeldungen der Neuinfektionen. Diese sind gänzlich sinnfrei, weil die Bezugs- und Vergleichsgrößen fehlen. Wie zuverlässig sind die Tests? In wie vielen Fällen führt die Infektion zur Erkrankung? Was sind die prozentualen Anteile der schweren, leichten und symptomfreien Verläufe? Wie hoch ist die Sterberate im Vergleich zur Mortalität der alljährlichen Grippewellen?

Es gibt viel zu wenig Mißtrauen

Wo Propaganda ungeniert die Information ersetzt, wuchern Mutmaßungen über sinistere Verschwörungen. Tatsächlich wurden im Zuge der Pandemie Maßnahmen beschlossen, die zuvor nicht durchsetzbar waren. So hat die EU eine als „Wiederaufbaufonds“ getarnte Schuldenunion beschlossen, als wäre ein Tornado durch Südeuropa gefegt und hätte blühende Industrielandschaften in Trümmerfelder verwandelt. Regierungstreuen Zeitungen wurden mehr als 200 Millionen Euro an Steuergeld zugeschanzt, während oppositionelle Blogger und Aktivisten als Verschwörungstheoretiker aus dem Internet verbannt werden. Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht wird offen in Frage gestellt.

Uno-Generalsekretär António Guterres nimmt Corona zum Anlaß, ein „Neues Globales Abkommen“ anzuregen, um Macht, Reichtum und Chancen „gerechter“ auf der Welt zu verteilen und Populismus, Nationalismus, Extremismus und Rassismus zu bekämpfen. Das wäre ein globalistischer Generalplan, um in den funktionierenden Nationalstaaten die Freiheitsrechte einzuschränken. Es gibt also nicht zuviel, sondern viel zu wenig Mißtrauen gegenüber den medizinisch begründeten Einschränkungen.

Die Heterogenität ist das Spiegelbild einer postmodernen Gesellschaft

Diese Fakten, Entwicklungen und Perspektiven werden von den Protestlern kaum einmal in einen reflektierten Zusammenhang gebracht. Einerseits sind der spontane Charakter und die Strukturlosigkeit eine Stärke der Corona-Bewegung, denn wo alles fließt, landet selbst die Nazi-Keule nur einen Schlag ins Wasser. Doch das Fehlen eines organisatorischen und konzeptionellen Gerüsts ist auf längere Sicht eine Schwäche, weil Bewegungen nur bestehen, solange sie wachsen. Wenn sie ihren Höhepunkt erreicht, ihr Potential ausgeschöpft haben, zerfallen sie wieder. Auch die französische Gelbwesten-Bewegung ist diesem Gesetz nicht entgangen.

Weltanschaulich lassen sich die Corona-Demonstrationen und -Kundgebungen nicht klar verorten. Sie versammeln einen Querschnitt wütender Anhänger aus allen politischen Lagern neben Unpolitischen, Anarchos, Hallodris und religiösen Spinnern. Die Heterogenität ist das Spiegelbild einer postmodernen Gesellschaft. Eine rechte Revolte, ein nationaler Aufstand, eine konservative Revolution kündigt sich hier gewiß nicht an. Würden Rechte und Konservative versuchen, sich an die Spitze des Zuges zu setzen, würde das nur zu gegenseitiger Kompromittierung führen. Doch sollten sie sich von der gärigen Szene auch nicht hochmütig distanzieren, sondern ihr vielmehr Erkenntnis- und Formulierungshilfen liefern. Wer in der Praxis ohnmächtig ist, kann in den Lagebeschreibungen und Analysen um so klarer und kompromißloser sein.

JF 34/20

Demonstration gegen Corona-Maßnahmen: Weltanschaulich nicht klar zu verorten Foto: picture alliance/SULUPRESS.DE
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