Ein sich bester Gesundheit erfreuender Präsident François Hollande, der sich seiner kolossalen Unbeliebtheit bewußt ist, beschließt, sich nicht erneut zur Wahl zu stellen. „Vor“-Wahlen, die auf den Ausschluß sämtlicher Favoriten hinauslaufen (Nicolas Sarkozy und Alain Juppé aus dem rechten Spektrum, Manuel Valls und Arnaud Montebourg aus dem linken).
Ein „Phänomen Macron“, das sich vor wenigen Monaten noch kein Mensch vorstellen konnte. Ein sozialistischer Kandidat, Benoît Hamon, der plötzlich abstürzt, während links von ihm Jean-Luc Mélenchon dank seiner rhetorischen Fähigkeiten unaufhaltsam aufsteigt. Nichts von alldem hat man in der Geschichte der französischen Präsidentschaftswahl jemals erlebt.
Vier Kandidaten mit Chancen für das Präsidentenamt
Das Ergebnis ist ebenso erstaunlich. Einige Tage vor der ersten Wahlrunde – und auch das zum ersten Mal – gibt es nicht zwei, sondern vier Kandidaten, die erwarten können, sich am Abend des 23. April für die nächste Runde zu qualifizieren: auf der einen Seite Marine Le Pen, die Kandidatin der unteren Bevölkerungsschichten, und François Fillon, der Kandidat der Ruheständler und der katholischen Bourgeoisie der Provinz, auf der anderen Seite Emmanuel Macron, der Kandidat der Wirtschaftswelt und Befürworter der Globalisierung, sowie der Tribun Jean-Luc Mélenchon, der Repräsentant des Linkspopulismus.
Allen vier werden jeweils etwa 20 Prozent der Stimmen prognostiziert, wobei ihr Abstand untereinander nicht den bei Meinungsumfragen typischen Spielraum überschreitet, was bedeutet, daß es absolut unmöglich ist, vorherzusagen, wie ihre Rangfolge sein wird. Daher sind für die zweite Wahlrunde alle Szenarien möglich, auch wenn die Vermutung, daß es zu einem Duell zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron kommen wird, die am nächsten liegende ist. Dies ist eine bislang einmalige Situation.
Etablierte Parteien könnten aus dem Rennen scheiden
Um das Ganze nochmals komplizierter zu machen, verspricht der Prozentsatz der Nichtwähler hoch zu werden. Eines aber ist gewiß: Zusammen vereinen die Kandidaten der beiden Parteien, die Frankreich seit Jahrzehnten abwechselnd regiert haben (die Republikaner und die Sozialisten), kaum mehr als ein Viertel der Wählerstimmen auf sich und drohen aus dem Rennen zu scheiden, während Le Pen und Macron die Gemeinsamkeit verbindet, daß sie sich nicht eindeutig der Rechten oder der Linken zuordnen lassen wollen und aus keiner der beiden Regierungsparteien stammen.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß von insgesamt elf Kandidaten acht planen, aus der EU und der Eurozone auszutreten, und daß drei von ihnen (Le Pen, Fillon und Mélenchon) einer Annäherung an Rußland positiv gegenüberstehen.
Aus all diesen Gründen wird diese ungewöhnliche Wahl – wie auch immer sie ausgehen wird – eine wahrhaft historische Dimension annehmen.
JF 17/17