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Familienpolitik: Fortgesetztes Unrecht

Familienpolitik: Fortgesetztes Unrecht

Familienpolitik: Fortgesetztes Unrecht

Großeltern mit Enkeln
Großeltern mit Enkeln
Großeltern mit Enkeln Foto: picture alliance/Beyond
Familienpolitik
 

Fortgesetztes Unrecht

Eltern darf man ohrfeigen, oder vornehmer und nach einem geflügelten Wort des Soziologen Franz Xaver Kaufmann: Die „strukturelle Rücksichtslosigkeit“ des deutschen Sozialsystems wird fortgesetzt. Nun befaßt sich das Verfassungsgericht damit. Man kann nur hoffen, daß die Richter in Karlsruhe das Unrecht gegenüber den Eltern beseitigen. Ein Kommentar von Jürgen Liminski.
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Eltern darf man ohrfeigen, oder vornehmer und nach einem geflügelten Wort des Soziologen Franz Xaver Kaufmann: Die „strukturelle Rücksichtslosigkeit“ des deutschen Sozialsystems wird fortgesetzt. Sie besteht unter anderem darin, daß der „generative Beitrag“ der Eltern bei den Sozialabgaben nicht berücksichtigt wird. Nur bei der Pflegeversicherung gibt es einen Unterschied zu den Kinderlosen von 0,25 Prozent, ein in Cents zu messender Betrag.

Nun hat das Bundessozialgericht zwar seine Auffassung aus dem Urteil vom 30.9.2015 revidiert und erklärt, dass Eltern mit der Erziehung tatsächlich einen unverzichtbaren Beitrag zur Erhaltung des Systems erbringen. Diese fundamentale Tatsache hatte es vor knapp zwei Jahren noch nicht gesehen und räumt damit also ein, daß Richter sich auch fundamental irren können.

Aber die Korrektur geht nicht so weit, daß man diesen „generativen Beitrag“, wie das Bundesverfassungsgericht die Erziehungsleistung der Eltern in seinem Pflegeurteil von 2001 nennt, auch konkret und wahrnehmbar beziffert. Es bleibt bei den vagen Hinweisen auf Erziehungszeiten bei der Rente und auf die angeblich kostenfreie Versicherung der Kinder bei der Familienkrankenversicherung.

Die Richter sollten nachrechnen

Die Richter hätten besser mal nachgerechnet. Die Erziehungszeiten decken bei weitem nicht den Ausfall in der Rente, der Gender-Gap oder die Lücke zwischen den Renten für Männer und Frauen belegt es. Frauen, die wegen der Erziehung ihrer Kinder (oder der Pflege der Eltern) einige Jahre ihre Erwerbsarbeit unterbrechen, bekommen eine deutlich geringere Rente als Männer oder Kinderlose.

Und bei der Krankenversicherung kann man von kostenfrei nicht reden, solange nicht erst das Existenzminimum der Kinder von dem Brutto-Einkommen abgezogen und dann die Sozialabgaben berechnet werden. Der Unterschied macht bei einem Durchschnittseinkommen etwa 50 Euro aus und das ist der verdeckte Beitrag pro Kind bei der Krankenversicherung.

Hinzu kommt, daß die Verbesserungen durch den Gesetzgeber (Erziehungszeiten, Kindergelderhöhungen, etc.) mit der Lohnentwicklung nicht schritt halten konnten und die Politik den Familien an anderer Stelle umso mehr wegnahm, so daß unter dem Strich mit den Jahren immer weniger für die Familien herauskam. Das Ergebnis ist: Immer mehr Kinder, beziehungsweise Familien mit Kindern, rutschen unter die Armutsgrenze und werden zu Hartz-4-Empfängern – mittlerweile jedes fünfte Kind.

Irren ist manchmal auch politisch gewollt

Vor vierzig Jahren war es noch jedes 75. Kind. Dieser Negativsaldo bei den Transferleistungen, Experten sprechen vom „Hütchenspiel der Regierungen“, ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Aber an diese Rechnung wollten die Richter nicht ran. Das ist politisch heikel und damit erntet man bei der Berufsgattung mit der höchsten Kinderlosenzahl, den Journalisten, keine Lorbeeren.

Das Unrecht gegenüber den Eltern ist nun als Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Man kann nur hoffen, daß die Richter in Karlsruhe genauer hinschauen als die Richter in Kassel. Aber auch für die gilt: Irren ist nicht nur menschlich, sondern manchmal auch politisch gewollt.

Großeltern mit Enkeln Foto: picture alliance/Beyond
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