Sigmar Gabriel versucht sich gern als großer Wirtschaftsweiser oder Ludwig Erhard roter Prägung darzustellen. Der angeschlagene SPD-Chef geht allerdings gänzlich andere Wege, wie es der Vater des deutschen Wirtschaftswunders einst getan hat. Dieser betonte stets, wie wichtig die Freiheit des Wirtschaftens ist. „Je freier die Wirtschaft, um so sozialer ist sie auch.“ Ganz ohne Eingriffe von Politikern, die um ihren Ruf besorgt sind.
Den Minister interessiert die freie Wirtschaft und deren Ordnung nicht, was er in dieser Woche gleich zweimal unter Beweis stellte. Entgegen aller Warnungen wollte Gabriel per Ministererlaubnis die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka durchboxen. Begründet hatte er dies mit den Belangen der Arbeitnehmer. Deren Rechte seien ein Gemeinwohl, das ein derartig leichtsinniges Handeln rechtfertige.
Retter von 16.000 Arbeitsplätzen
Doch eigentlich ging es um etwas ganz anderes. Es ging um seinen Ruf. Der rote Minister wollte als Retter von 16.000 Arbeitsplätzen aus der Aktion hervorgehen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf machte ihm schließlich einen Strich durch die Rechnung. Gabriel sei bei seiner Entscheidung möglicherweise befangen gewesen – er bestreitet das, doch die erste Niederlage steht.
Nicht weniger fatal und bezeichnend für Gabriels Politik ist seine Mahnung an die 30 Dax-Konzerne. In einem Brief forderte er die Vorstände auf, mehr Asylsuchende einzustellen. Schließlich sei ein schlechter Eindruck entstanden, als vergangene Woche die Meldung Schlagzeilen machte, daß erst 54 Asylbewerber in den 30 Dax-Betrieben angestellt seien, und davon allein 50 bei der Deutschen Post.
Wieder tat der Minister so, als ob er die Guten vor den Bösen retten wollte. „Solche Meldungen“ könnten auch die Anstrengungen jener Unternehmen verkennen, die sich aktiv um die Integration und Beschäftigung von Asylsuchenden bemühten, monierte der SPD-Chef. Es geht dem Minister aber nicht um den Ruf der Firmen, sondern um seinen und den seiner Politik.
Es geht um politisches Kalkül
Noch immer versucht das schwarz-rote Gespann in Berlin, die Einladung mehrerer Millionen Glücksritter, Wirtschaftsmigranten und Entwurzelter nicht nur als moralische Über-Tat zu verkaufen, sondern auch als Chance für Deutschland und seine Bürger. Gabriel stellte sich in der Asylkrise meist hinter die Kanzlerin. Doch was sich nicht gut verkauft, muß beworben werden. Was trotz propagandaartiger Kampagnen dennoch auf Ablehnung stößt und nicht funktioniert, muß mit Zwang durchgesetzt werden. In Gabriels Fall noch nicht einmal in erster Linie aus dem Glauben heraus, das Richtige zu tun, sondern aus politischem Kalkül.
Ein strauchelnder Kapitän kann im Zweifel nur noch versuchen, sich an einem Seil festzuklammern – und sei es eines, das aus Fehlern gewebt ist. In Gabriels Fall ist es gerissen.