Ewig-morgigen Linken geht alles gegen den Strich, was nicht in ihre Ideologie von der einen, gleichen, damit angeblich gerechten Welt paßt. Sie schwärmen – darin aber nichts anderes als ewig-gestrig – wie Rousseau von der „heiligen“ Gleichheit; wie die Jakobiner, denen sogar unterschiedlich hohe Kirchtürme ein Dorn im Auge waren, möchten sie alle Bereiche des Lebens quasi mit dem Rasenmäher auf Einheitsschnitt trimmen.
Besonders dort, wo man meint, am nachhaltigsten Gleichmacherei praktizieren zu können, tun sich Linke am heftigsten hervor: in der Bildungspolitik. Hier geht es um junge Menschen, über die man die Ersatzreligion des Egalitarismus so richtig schön ausleben und ganz konkret inszenieren kann.
„Verdacht“ eines bürgerlichen Wertekanons
In ein solches linkes Weltbild paßt keine Bildungseinrichtung, die keine Einrichtung für alle sein kann und die zumal im „Verdacht“ steht, einen bürgerlichen Inhalts- und Wertekanon zu vermitteln. Die Rede ist vom Gymnasium. Seit Jahrzehnten arbeitet sich eine mehr oder weniger formelle Koalition aus SPD, Grünen, Linkspartei, linken „Liberalen“ – assistiert von so manchem „Bildungsforscher“, von einer OECD und von gewissen Stiftungen – an dieser weltweit erfolgreichsten Schule ab.
In den siebziger und achtziger Jahren galt noch der Grundsatz: Wir schaffen das Gymnasium ebenso wie Haupt- und Realschule ab und beglücken Eltern, Schüler und Gesellschaft mit einer Einheitsschule – die damals Gesamtschule hieß und heute Gemeinschaftsschule heißt.
Jahrzehnte durchschlagender Erfolglosigkeit
Das Dumme für die Linken war zunächst nur: Die Gesamtschule in Deutschland hat Jahrzehnte durchschlagender Erfolglosigkeit hinter sich, und das Gymnasium entwickelte sich in Elternschaft und Gesamtgesellschaft zur beliebtesten Schulform – zu einer Beliebtheit, die freilich mehr und mehr zu einem Problem des Gymnasiums wurde.
Also mußte ein linker Strategiewechsel her: „Wenn es denn nicht gelingt, das Gymnasium zu überwinden, dann verändern wir das Gymnasium so, daß das schöne Namensschild erhalten bleibt, aber von innen entkernen wir es hin zu einem Gesamt-Gymnasium.“ Motto: „Wenn alle am Gymnasium sind, dann ist keiner mehr am Gymnasium, denn dann sind alle in einer Einheitsschule.“
Daß dies durchaus funktioniert, kann man in einigen deutschen Ländern verfolgen. Denn mittlerweile sind es mindestens fünf Trojanische Pferde, mit deren Hilfe man das Gymnasium sukzessive entkernt und aushöhlt – in einigen deutschen Ländern mehr, in anderen weniger.
Eine Abitur-Vollkaskogarantie
Trojaner 1: Es gibt keine Leistungsbedingungen mehr für den Übertritt an ein Gymnasium. In mittlerweile 14 der 16 deutschen Länder entscheiden allein die – nicht selten überehrgeizigen – Eltern, ob ihr Kind an ein Gymnasium geht. Nur noch Bayern und Sachsen verlangen, daß ein Grundschüler, soll er denn ans Gymnasium, aus der Grundschule einen Notenschnitt von 2,5 beziehungsweise 2,0 mitbringt oder sich einer Aufnahmeprüfung stellt.
Trojaner 2: Immer mehr deutsche Länder schaffen das Sitzenbleiben ab. Besonders hervorgetan hat sich hier zuletzt Niedersachsen, das mit dem Amtsantritt der neuen rot-grünen Landesregierung Anfang 2013 eben dies beschloß. Folge: Wenn man etwa am Gymnasium nicht mehr sitzenbleiben kann, dann darf man auch nicht mehr abgewiesen werden. Am Ende steht eine Abitur-Vollkaskogarantie.
Trojaner 3: Die gymnasialen Lehrpläne werden mehr und mehr entleert. Unter dem Diktat einer als zeitgemäß angesagten Pädagogik angeblich verwertbarer „Kompetenzen“ verschwinden Inhalte noch und noch, aus Lehrplänen werden Leerpläne.
Trojaner 4: Die Abiturnoten werden immer besser. Es gibt schier eine Inflation an guten und besten Abiturzeugnissen. So gibt es immer mehr 1,0-Abiturzeugnisse. Aus Nordrhein-Westfalen wird berichtet, daß sich die Zahl der Abiturienten mit der Note 1,0 von 455 im Jahr 2007 auf exakt 1.000 im Jahr 2011 mehr als verdoppelt hat. In Berlin wurden aus den 17 Abiturzeugnissen mit 1,0 des Jahres 2002 im Jahr 2012 234 solche Zeugnisse (das ist der Faktor 14!).
Trojaner 5: Mehrere deutsche Länder wollen die Ausbildung der verschiedenen Lehrämter einebnen. Siehe etwa Baden-Württemberg oder Niedersachsen. Wenn es dann eines Tages nur noch Einheitslehrer gibt, dann kann auch kein Gymnasium mehr betrieben werden.
Bis zuletzt Zugpferd des deutschen Bildungswesens
Natürlich hat das Gymnasium Wandlungen erlebt, aber alles in allem war gymnasiale Bildung mit ihrem Anspruch der Vermittlung umfassender Allgemeinbildung und der Studierbefähigung (nicht nur der Studierberechtigung) bis zuletzt Zugpferd, Leuchtturm, auch Bollwerk und soziale Steigleiter des deutschen Bildungswesens.
Nicht der Linken populistisch hinterherhecheln
Zurück zur Sage um Troja: Die Danaer (sprich die Griechen) wollten Troja stürmen. Aber es gelang ihnen trotz zehnjähriger Belagerung nicht. Schließlich bauten sie ein riesiges hölzernes Pferd als vermeintliches Geschenk an die Troer. Im Bauch des Pferdes aber sammelten sie ihre stärksten Krieger. Sobald die Troer das vermeintliche Geschenk in ihre Stadt befördert hatten, kletterten die griechischen Kämpfer aus dem Bauch des Pferdes. Die Troer waren überrumpelt.
Die Gymnasien selbst sollten daran denken, wenn es ihnen – wie in manchen Fällen – nur noch um Schülerzahlen geht. Und die noch halbwegs – dem Anschein nach – bürgerliche Volkspartei sollte endlich wieder mehr bildungspolitischen Gestaltungswillen praktizieren, statt dem Treiben der Linken nur zuzusehen oder ihm mehr oder weniger populistisch hinterherzuhecheln.
JF 11/15