Theo Sommer, ehemaliger Chefredakteur und Herausgeber der Zeit, weiß um die kleinen Tricks, die viele Deutsche benutzen, um sich vor ihren Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt zu drücken. Er hat 1993 einen großen Aufsatz über Politikverdrossenheit, Politik und Korruption geschrieben. Darin prangert er seine Landsleute an, vor allem solche, die nicht steuerehrlich sind. „Doch jeder kennt sie aus dem eigenen Lebenskreis: den Schwarzarbeiter, der das Wohnzimmer tapeziert, aber bar bezahlt werden will und nebenher Arbeitslosengeld bezieht; die arbeitslos gemeldete Ehefrau des Freiberuflers, die gerade lange genug beim Gatten angestellt war, um Anspruch auf Unterstützung zu erwerben; den Spesentrickser, der die Diners mit der Freundin als Geschäftsessen abrechnet; den Krankfeierer; die Subventionsgoldgräber in Ostdeutschland; die Wohngeldschwindler; die Abzapfer in der Landwirtschaft; die Abschreibungskünstler; den Schlaumeier, der seine Versicherung ausnimmt.“
Sein Fazit: Die Deutschen haben so schlechte Politiker verdient, weil sie selbst auch nur an sich denken. Wörtlich schrieb er: „Wer eine andere Politik will, muß bei der Gesellschaft anfangen. Höhnen und Stöhnen über ‘die da oben’ reicht nicht aus. Die neuen Fundamente müssen unten gelegt werden. Die Bürger können von ihren Vertretern schwerlich mehr Gemeinsinn verlangen, als sie selber an den Tag legen.“ Kurz: Das Problem der Deutschen sei, daß sie sich über Fahrerflucht aufregten, aber für Steuerhinterziehung Verständnis aufbrächten.
Mit erhobenem Zeigefinger
Doppelmoral wirft er den Deutschen vor, weil sie ein Dinner falsch deklarieren oder schwarz arbeiten. Wer mit einem solchen erhobenen Zeigefinger daherkommt, sollte eine reine Weste haben. Die hat Theo Sommer aber nicht. Im Gegenteil. In Hamburg steht der 83jährige Ex-Chefredakteur der Zeit nun vor Gericht. Wegen Steuerhinterziehung.
Und es geht dabei nicht um einen geringfügigen Fall von Schwarzarbeit oder ein falsch abgerechnetes Arbeitsessen. Auch nicht um eine fehlerhafte Krankschreibung oder den Bezug von Wohngeld. Nein, Theo Sommer hat mal eben jahrelang – von 2007 bis 2011 – die „nebenberufliche“ Tätigkeit bei der Steuererklärung „vergessen“. In der Summe hat er so Medienberichten zufolge über 500.000 Euro an der Steuer vorbeigeschleust. Ausgerechnet er. Wenn sich jemand jahrelang als Gutmensch aufspielt und den Deutschen die Leviten liest, sie sollten gefälligst steuerehrlicher sein, und dann als Steuerhinterzieher auffliegt, ist das natürlich besonders peinlich. Aber statt wenigstens Reue zu zeigen, beharrt Sommer nun auch noch darauf, er sei „kein Uli Hoeneß“ Schließlich habe er keine Aktien gekauft, keine Auslandskonten gehabt und nie Geld verschoben, was immer er damit gemeint haben mag.
500.000 Euro hinterzogen
Nun ist es weder juristisch noch moralisch falsch, Aktien zu besitzen oder Auslandskonten zu führen. Inwiefern sich Sommer gegenüber Hoeneß in einer moralisch besseren Position verortet, bleibt sein Geheimnis. Das Gegenteil ist der Fall: Uli Hoeneß hat sich nie zum publizistischen Vorkämpfer des gierigen Steuerstaates gemacht. Er hat nie andere aufgefordert gefälligst steuerehrlich zu sein. Insofern hat Sommer recht: Er ist kein Uli Hoeneß. Er, Sommer, ist die fleischgewordene Doppelmoral, die er selbst in seinem Aufsatz vor zwei Jahrzehnten angeprangert hat. Uli Hoeneß hingegen ist nur ein Mann, der sein Eigentum vor dem Zugriff des räuberischen Fiskus geschützt hat. Wer will ihm das verdenken?
Aber es ist noch schlimmer, denn Sommer jammert nun auch noch darüber, daß er die Steuerschulden abtragen mußte und daß dies nur möglich war „unter Inkaufnahme großer Opfer für meine Altersversorgung und die meiner Frau“. So geht es ja leider allen Steuerbürgern. Er hat jahrelang von anderen verlangt, daß sie auf einen Teil ihrer Altersvorsorge zugunsten des Leviathans verzichten, aber jetzt, wo er selbst betroffen ist, bedauert er dieses Opfer.
Theo Sommer sollte sich bei den Lesern der Zeit und bei allen deutschen Steuerzahlern entschuldigen.
Sein Prozeß beginnt am Mittwoch in Hamburg. Da hätte er eine gute Gelegenheit.