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Der sanfte Putsch

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Nach nur einem Jahr im Amt hat das ägyptische Militär Präsident Mursi gestürzt. Es war ein sanfter Putsch, getragen von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis. Die liberale Reformbewegung um Mohamed el-Baradei, der Imam der El Azhar Universität sowie der koptische Papst standen hinter dem Einschreiten des Militärs, zusammen mit Millionen Ägyptern der Tamarod-Bewegung, die seit Sonntag in mehreren ägyptischen Städten gegen Machtmißbrauch und Mißwirtschaft der Muslimbrüder demonstrierten.

Gewinner der erfolgreichen Erhebung sind vor allem die koptischen Christen, die etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Gerade die von Präsident Mursi im Eilverfahren durchgepeitschte und vom Militär nun ausgesetzte Verfassung hat sie zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Der Weg Ägyptens in einen islamistischen Staat ist vorerst gestoppt. Islamischen Fanatikern, die sich unter der Herrschaft der Muslimbrüder in ihrem Eifer gegen Ungläubige Sicherheit versprachen, droht nun wieder die volle Härte des Gesetzes. Gerade weil die Tamarod-Bewegung ihre Anhänger aus allen gesellschaftlichen Milieus rekrutiert und unter den Demonstranten auch eine große Anzahl verschleierter Frauen zu finden waren, steht nicht zu befürchten, daß die Christen sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen werden, für den Umsturz verantwortlich zu sein.

Extremisten könnten Zulauf erhalten

Die Absetzung der Muslimbrüder in dem mit über 80 Millionen Einwohnern größten arabischem Land ist ein schwerer Rückschlag für islamistische Bewegungen im Nahen Osten. Gleichzeitig könnte sie jedoch gerade gewaltbereiten Extremisten Zulauf verschaffen, die die Demokratie zur Verwirklichung islamistischer Ziele ablehnen und lieber zur Gewalt greifen.

Erst nach der mehrmonatigen Übergangszeit hin zu Neuwahlen, in der sich auch die künftige Rolle des Militärs herauskristallisieren wird, können Schlüsse über Ägyptens neue Rolle im Nahen Osten gezogen werden. Unter Mursi ist das Land langsam wieder zu seiner früheren Stärke als regionaler Vormacht zurückgekehrt. Die militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas im November 2012 konnte Mursi durch die Glaubwürdigkeit, die er bei der aus den ägyptischen Muslimbrüdern hervorgegangenen Hamas genießt, nicht nur beenden, sondern auch einen Waffenstillstand dauerhaft garantieren.

Furcht bei den Palästinensern

Dies brachte Mursi den Applaus westlicher Staatschefs, allen voran US-Präsident Obamas ein. Bis heute herrscht an der Südgrenze Israels, von einigen vereinzelten Raketen abgesehen, weitestgehend Ruhe. Gerade bei den Palästinensern fürchtet man nun einen Rückfall in die Zeiten von Präsident Mubarak, als sich Unterstützung für die Palästinenser vorwiegend in Lippenbekenntnissen erschöpfte und Mubaraks Geheimdienstchef Omar Suleiman, so der Vorwurf, die israelische Seite über vertrauliche Gespräche mit den Palästinensern in Kenntnis setzte.

Das ägyptische Militär versteht sich als eine den Staat tragende Institution, die nach ihrem Selbstverständnis einschreiten mußte, um einen Bürgerkrieg zwischen Anhängern Mursis und denen der Tamarod-Bewegung zu verhindern. Gleichzeitig sah sich die Armee unter Mursi auch der schleichenden Erosion ihrer eigenen Macht ausgesetzt. Unabhängig davon kann jedoch schwer geleugnet werden, daß sich die Militärs auch mit den Forderungen Millionen junger Ägypter solidarisierten, deren Forderung nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sich nicht allein auf den formellen Wahlakt bezog. Die ägyptische Journalistin Hiva Chamdi Abu Seif brachte es im israelischen Fernsehen auf den Punkt: „Ja wir haben ihn gewählt, er hat das Volk verraten und jetzt stürzen wir ihn.“

Muslimbrüder einbinden

Vergessen sollte man hingegen nicht: Die Muslimbrüder haben weiterhin, besonders in Oberägypten- und im Umland von Kairo eine große Anhängerschaft. Diese nicht in den gegenwärtigen Transformationsprozeß mit einzubinden, wäre der erste Geburtsfehler des neuen Ägyptens. Die Verhaftung hochrangiger Vertreter der Bruderschaft und die Schließung von deren Einrichtungen, darunter der Fernsehsender „Misr 25“, sollten eine vorübergehende Maßnahme bleiben, die den gewaltfreien Machtübergang flankiert.

Der Widerstand Millionen junger Menschen in den Städten Ägyptens sollte all denen zur Mahnung dienen, die den arabischen Frühling unweigerlich in einen islamistischen Winter münden sahen. Die Ägypter haben sie nun eines besseren belehrt. 

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