Jeder hat das Recht auf seine Privatsphäre! Wirklich jeder? Nadja Drygalla hat dieses fundamentale Recht aus Sicht von Politik und Medien wohl in dem Moment verloren, als ihre Beziehung mit einem völlig unbekannten ehemaligen NPD-Mitglied von einer anonymen Antifa-Gruppe in die Öffentlichkeit gezerrt wurde. Schon wenige Tage später sind die Zeitungen voll: „Nazi-Skandal im deutschen Team.“ Der Blätterwald und besonders die Springer-Presse sind in heller Aufregung. Niemand will den Ritt auf der Empörungswelle verpassen.
Dabei gibt es gar keinen „Fall Drygalla“. Die unscheinbare Sportlerin hat sich in ihrer Karriere nicht ein einziges Mal politisch geäußert. Kein Zitat, keine falsche Kleidermarke, kein angeblich „rassistischer“ Twitter-Eintrag. Weil der publizistische Krieg sich selbst ernähren muß, wird die Sportlerin nun mit den groteskesten Vorwürfen und Unterstellungen konfrontiert. Sie habe, schreibt die Welt denunziatorisch, „rechtspopulistischen Internetseiten“ angeklickt. Woher die Informationen stammen und welche Seiten das gewesen sein sollen, verraten die „Qualitätsjournalisten“ lieber nicht.
Anonyme Vorwürfe und Stasi-Methoden
Genauso arbeiten Geheimdienste in Diktaturen. Unbeugsame werden so lange ausspioniert und mit Gerüchten drangsaliert, bis sie schließlich einknicken. Heute braucht es für so ein Vorgehen allerdings keine staatliche Behörde mehr. Irgendein Anwurf aus dem linksextremen Milieu reicht im Zweifel völlig aus, und schon liegt das Privatleben auf dem Seziertisch der Öffentlichkeit. Vom sonst hochgelobten Datenschutz ist dann keine Rede mehr.
„Wer wußte wann was über Drygallas Umfeld“, fragt etwa die linke taz, die noch vor wenigen Wochen einen Text über die angebliche Homosexualität von Umweltminister Peter Altmaier mit dem Hinweis löschte, dessen Privatleben ginge niemanden etwas an. Bisher wurde jeder für vogelfrei erklärt, der irgendwie „rechts“ war. Jetzt reicht es schon aus, jemanden zu kennen, der jemanden kennt, der jemanden kennt.
Unwürdige Behandlung
Besonders perfide ist in dieser sommerlochgeschwängerten Debatte allerdings das Verhalten der Sportfunktionäre. Anstatt, wie es ihre vornehmste Aufgabe wäre, sich vor die Sportlerin zu stellen, brüstet man sich auch noch damit, die junge Frau gedrängt zu haben, sich einen neuen Freund zu suchen. Daß solche Gespräche überhaupt geführt werden, ist der wahre Skandal. In jeder zweiten Geschichtsstunde heben die Lehrer heute mahnend den Finger und sagen: „Aus der Geschichte muß man lernen.“ Damit kann doch aber nicht das kopieren und verfeinern von Gestapo- und Stasimethoden gemeint sein.
Die Ironie an dieser von SPD, Grünen und Linkspartei fleißig mitbetriebenen Hetzjagd, die ohne Frage das Ziel hat, Drygalla sozial zu vernichten, ist, daß es dabei angeblich um eine gute Sache gehen soll. So wird einer unwürdigen Behandlung auch noch der Stempel der Gerechtigkeit aufgedrückt. Wenn Politiker und Funktionäre auf so eine Art und Weise den olympischen Gedanken verteidigen wollen, muß man sich für jede deutsche Medaille schämen.