Einen anderen „rechtsradikal“ zu nennen, ist ein Werturteil und von der Meinungsfreiheit gedeckt. So lautet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Ein Rechtsanwalt hatte einen Kollegen auf Unterlassung verklagt, der ihn in einem Internetforum mit dieser Bezeichnung belegt hatte.
Anlaß waren seine Ausführungen über den „transitorischen Charakter“ des Grundgesetzes gewesen, das lediglich „ein ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte sei“, sowie über die bestimmende Rolle der „nicht-semitischen Juden“ in der globalen Wirtschaft. Karlsruhe befand, daß der Erheber der Unterlassungsklage weder in seiner Intim- noch seiner Privatsphäre betroffen sei, sondern höchstens in seiner Sozialsphäre. Hingegen sei die Meinungsfreiheit seines Kritikers „in ihrem Kern betroffen“. Das Urteil ist formal in Ordnung, geht aber an der Lebenswirklichkeit und damit am Kern vorbei.
Wer als Rechtsradikaler bezeichnet wird, trägt ein Stigma
Man kann die Auffassungen über das Grundgesetz und den jüdischen Einfluß, die hier geäußert wurden, je nach Standpunkt und politischer Position für richtig oder falsch, für provokant und meinethalben auch für rechtsradikal halten. Wie man umgekehrt die These, die DDR sei nicht als Diktatur, sondern als politische Organisationsform der Moderne und primär aus den eigenen ideologischen Prämissen zu begreifen, entweder innovativ oder dumm, verharmlosend oder auch linksradikal finden kann. Ungern würde ich mir die Wortwahl darüber von einem Gericht vorschreiben lassen.
Doch es gibt einen gewaltigen Unterschied. In dem juristischen Problem steckt weiteres, ein politisches und gesellschaftliches – das Kernproblem! Nenne ich den (von mir aus gesehen) Andersdenkenden einen Linksradikalen oder -extremen, so bleibt das für ihn ohne Auswirkungen, selbst wenn es unumstößliche Argumente für mein Werturteil gibt. Mein Widerpart wird mit den Schultern zucken oder mir sogar recht geben: Ja, und? Er hätte selbst dann nichts zu befürchten, wenn ich ein Anschwärzer wäre und meine Meinung via Internet oder Zeitung öffentlich machte. Der Grund: Die Hegemonie seines Meinungslagers ist nahezu absolut.
Wer hingegen öffentlich als Rechtsradikaler bezeichnet wird, trägt ein Stigma. Die permanente Indoktrination durch Medien, Schule, Politik und so weiter hat ein irrationales Meinungsklima erzeugt, in dem der „Rechte“ schlimmere Assoziationen und Reaktionen auslöst als selbst ein Kinderschänder. Der wenigstens kann als „Opfer der Gesellschaft“ mit Nachsicht und Verständnis rechnen.
Amoralisches und asoziales Meinungsklima
Ein als „rechtsradikal“ stigmatisierter Rechtsanwalt muß die Isolation innerhalb seines Berufsstandes und den Verlust von Klienten fürchten. Ein Kläger oder Angeklagter, der einen als „rechts“ verrufenen Anwalt bestellt, muß damit rechnen, ebenfalls in die Isolation zu geraten und seine Situation vor Gericht zu verschlimmern. Denn welcher Richter, der noch Karrierepläne hegt, will in den Verdacht kommen, nicht wachsam gewesen und einem „Rechten“ auf den juristischen Leim gegangen zu sein?
Das alles kann den Anwalt beruflich vernichten und damit neben der Sozial- sehr wohl auch die Privat-, ja Intimsphäre treffen bis hin zum Suizid-Entschluß. Sein Gegner hingegen, der auf der Bezeichnung „rechtsradikal“ besteht, nimmt die Betroffenheit seiner Meinungsfreiheit als Deckmantel, um einen mißliebigen Konkurrenten sozial, gesellschaftlich und persönlich zu vernichten.
Das amoralische und asoziale Meinungsklima, das die Bundesrepublik durchherrscht, öffnet der Denunziation Tür und Tor, und die an formales Recht gebundene Verfassungsgerichtsbarkeit muß – das zeigt der aktuelle Fall – sie ausdrücklich offenhalten. Wer sich auf den juristischen Kampf beschränkt, kann sich gegen diese Perfidie nicht wehren.