Das spanische Verfassungsgericht trifft den richtigen Punkt, wenn es einerseits nicht daran rütteln läßt, daß jede Rechtfertigung des Holocaust und anderer Völkermordverbrechen strafwürdig ist und strafbar bleibt, es aber das pure Bestreiten dessen – die „Leugnung“ – unter den Schutz der Meinungsfreiheit stellt.
Auf diesen Kernbestand zugeschnitten war auch unser „Volksverhetzungsparagraph“ (130 StGB) bis zur Aufblähung dieses Tatbestands durch die Reformen der Jahre 1994 und 2005. Schon zuvor hatten deutsche Gerichte Hetze selbst im förmlichen Gewand der Leugnung nie durchgehen lassen. Wirkliche Tatsachenbehauptungen indessen sind etwas anderes: Über sie muß gestritten werden können, auch öffentlich, und zwar selbst dann, wenn man ihr Gegenteil vernünftigerweise für offenkundig hält.
Die europäische Rechtsentwicklung verläuft freilich längst in Richtung der fragwürdigen deutschen Reformen. Abzuwarten bleibt, ob die spanische Entscheidung ein selbstkritisches Nachdenken auch der anderen Staaten bewirken oder von einer Welle moralischer Empörung der „europäischen Wertegemeinschaft“ hinweggespült werden wird.
Günter Bertram war Vorsitzender Richter am Landgericht Hamburg