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JF-Interview mit einer modernen Hausfrau: „Irgendwann kam ich an den Punkt, dieses System zu hinterfragen“

JF-Interview mit einer modernen Hausfrau: „Irgendwann kam ich an den Punkt, dieses System zu hinterfragen“

JF-Interview mit einer modernen Hausfrau: „Irgendwann kam ich an den Punkt, dieses System zu hinterfragen“

Verzweiflung am Arbeitsplatz (Symbol) und. „Stay at home girlfriend“ Carolina Tolstik: Die junge Frau lebt ein schönes Leben, auch ohne Karriere
Verzweiflung am Arbeitsplatz (Symbol) und. „Stay at home girlfriend“ Carolina Tolstik: Die junge Frau lebt ein schönes Leben, auch ohne Karriere
Verzweiflung am Arbeitsplatz (Symbol) und. „Stay at home girlfriend“ Carolina Tolstik: Die junge Frau lebt nach eigenen Aussagen ein schönes Leben, auch ohne Karriere Foto: picture alliance / PantherMedia | Andrey Popov und privat/JF-Montage
JF-Interview mit einer modernen Hausfrau
 

„Irgendwann kam ich an den Punkt, dieses System zu hinterfragen“

Hausfrauen sind keine unerfüllten „Heimchen am Herd“, sondern jung und selbstbewußt. „Stay at home girlfriends“ begeistern im Netz ganze Massen für die Vorteile einer klassischen Rollenverteilung. TikTokerin Carolina Tolstik erzählt im JF-Interview, wieso.
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DVD, Migration, Bestellen

Jahrelang hieß es für junge Frauen, sie müßten „etwas aus sich machen“. Bloß nicht abhängig von einem Mann sein. Wer freiwillig zu Hause blieb, um sich lieber um Haushalt und Familie zu kümmern, wurde mit Argwohn betrachtet. Jetzt scheint sich der Wind zu drehen.

Längst nicht jede Frau will ein „empowertes“ Karrierebiest sein. Zum Argwohn moderner Feministen. So sorgt auf TikTok ein Trend für Trubel, der das vermeintlich antiquierte Rollenbild von Mann und Frau wieder populär macht. „Stay at home girlfriends“ (Freundinnen, die daheimbleiben) kümmern sich um die Hausarbeit und verfolgen Hobbys, während der Mann das gemeinsame Einkommen verdient.

So ist es auch bei Carolina Tolstik. Die 26jährige wohnt mit ihrem Partner auf Mallorca und läßt ihre fast 20.000 Follower an ihrem Alltag als „Stay at home girlfriend“ teilhaben. Die JUNGE FREIHEIT hat nachgefragt, was sie an der klassischen Rollenverteilung überzeugt.

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Frau Tolstik, was genau macht ein „Stay at home girlfriend“ denn überhaupt?

Carolina Tolstik: Als „Stay at home girlfriend“ wird eine moderne Hausfrau bezeichnet. Auf den sozialen Medien teilt sie dabei ihre täglichen Aufgaben – von der Morgenroutine über Beauty-Geheimnisse bis hin zu Haushaltstipps und Kochrezepten.

Das erinnert an die Hausfrau der 50er Jahre – Wo liegen die Unterschiede?

Tolstik: Die Hausfrau der 50er Jahre war typischerweise verheiratet und ihre Hauptaufgaben bestanden darin, den Haushalt zu führen, die Kinder zu betreuen und sich um die Bedürfnisse des Ehemanns zu kümmern. Sie war oft finanziell von ihrem Ehemann abhängig. Das „Stay at home girlfriend“ hingegen lebt mit ihrem Partner zusammen, ist aber nicht zwangsläufig verheiratet.

Sie wählt aktiv den Lebensstil, zu Hause zu bleiben, anstatt außerhalb des Hauses zu arbeiten. Diese Frau hat oft mehr Flexibilität und Autonomie in Bezug auf ihre Entscheidungen und kann auch außerhalb des Hauses eigene Interessen und Aktivitäten verfolgen.

Gemessen am Schönheitsideal der 50er Jahre, stellt man fest, daß sich zu heute nicht viel geändert hat: Ein straffer Körper, makellose Haut, lange Wimpern, volle Lippen, gepflegte Haare, schöne Kleider und hohe Schuhe.

Durch die sozialen Medien hinzugekommen, ist die tägliche Erstellung von neuem kreativem Content. Konzeption, Videodreh, Schnitt der Videos und die Pflege der Community sind ein neuer Vollzeit-Job. Aber wie sagt mein Mann immer so schön: Das bißchen Social Media macht sich von allein…

Wie kann man sich einen klassischen Tag in Ihrem Leben vorstellen? Haben Sie besondere Routinen, die Ihnen wichtig sind?

Tolstik: Mein Alltag als „Stay at home girlfriend“ folgt einer Struktur, mit der ich ein sehr schönes Leben führe. Ein klassischer Alltag startet bei mir mit einem leckeren Espresso. Die Zeit, bevor die Sonne aufgeht, hat für mich schon fast etwas Meditatives. Ich genieße die Zeit für mich, da mein Mann und meine Katze gerne länger schlafen, und stelle mich auf den Tag ein.

Dann geht es für mich zum Sport. Ich halte mich gerne durch Cardio- und Krafteinheiten fit und sorge so für mein Aussehen und meine Gesundheit. Nach dem Sport gehe ich duschen, mache mich fertig und ziehe mir etwas Schönes an. Ein gepflegtes Aussehen ist für mich die Voraussetzung für mein Wohlbefinden.

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Ich räume die Wohnung auf, frühstücke zusammen mit meinem Mann und starte in den Tag. Im Haushalt gibt es immer etwas zu tun, ob Wäsche waschen, putzen oder kochen. Außerdem backe ich unheimlich gerne, denn dabei kann ich abschalten, kreativ sein und meinem Mann eine Freude bereiten.

Am Nachmittag treffe ich mich gerne mit meinen Freundinnen und spreche mit ihnen über die neuesten Social-Media-Trends. Abends koche ich oft zusammen mit meinem Mann, wobei er den wichtigsten Part übernimmt, da er tatsächlich besser kocht als ich und wir lassen den Tag bei einem Glas Wein ausklingen.

Tolstik arbeitete früher im Bildungssektor

Gab es auch Zeiten, in denen es anders war und Sie beispielsweise in Vollzeit arbeiten mußten?

Tolstik: Ich habe einen Masterabschluß im Lehramt und viele Jahre im Bildungssektor gearbeitet. Die Arbeit mit Menschen hat mir sehr viel Freude bereitet. Ob es die sprachliche Unterstützung von Flüchtlingen, Sportspiele in der Grundschule, Lehren an der Universität oder Lektüre-Unterricht in Abitur-Klassen, war. Trotzdem ist die Arbeit als Lehrkraft nicht zu unterschätzen. Anders als viele denken, habe ich oft bis spät in den Abend, an Wochenenden und auch im Urlaub gearbeitet.

Irgendwann kam ich an den Punkt, dieses System zu hinterfragen. Sollte es das gewesen sein? Ich habe beschlossen, ein Abenteuer zu starten und bin ausgewandert – in ein Land mit mehr Sonne und guter Laune und bin bis heute davon überzeugt, daß es die beste Entscheidung meines Lebens war. Ich habe meinen Partner kennengelernt, der glücklicherweise meinen Lebensstil unterstützt und bin überglücklich.

Sind Sie bereits verheiratet – und damit genau genommen kein „Stay at home girlfriend“ mehr, sondern schon eine „Tradwife“ (traditionelle Ehefrau)?

Tolstik: Ich stelle meinen Freund gerne als meinen Mann vor, obwohl wir nicht verheiratet sind. Da wir beide osteuropäische Wurzeln haben und mit einer sehr ähnlichen Mentalität erzogen wurden, hat sich die Frage der Rollenverteilung nie gestellt.

@xmalischka Das Leben mit einer Hausfrau 🍕👩🏼‍🍳 #hausfrau #stayathomegirlfriend #hausfrauenleben #essen #foodtiktok #pizza #kochen #deutschland #tiktokrezepte #abendessen #feminismus #emanzipation #gleichberechtigung #spass #fürihn ♬ Er gehört zu mir (Radio Version) – Marianne Rosenberg


Die traditionelle Rollenverteilung ist Teil unserer kulturellen Identität und Tradition und funktioniert für uns sehr gut, weil sie zu einer stärkeren Verbundenheit und gemeinsamen Zielen führt. Jeder Partner hat eine klar definierte Rolle und trägt zur Funktionalität des Haushalts und der Familie bei, was zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit und einer gemeinsamen Identität führt.

Wie fallen die Reaktionen auf TikTok zu dieser Form der Rollenverteilung aus?

Tolstik: Das Thema polarisiert und die Reaktion könnten nicht gespaltener sein. Während die einen regelrechte Haß-Kommentare verfassen, gibt es auf der anderen Seite großen Zuspruch und Bewunderung. Ich bin der Meinung, daß jeder – solange es konstruktiv bleibt – seine Perspektive teilen darf und soll. Für die Unterstützung meiner Community bin ich sehr dankbar, sie ist eine große Motivation, am Ball zu bleiben.

Welchen Vorwurf muß man sich als „Stay at home girlfriend“ denn am häufigsten anhören?

Tolstik: Am häufigsten höre ich, daß ich als Hausfrau nichts Besonderes leiste. Ich bin jedoch der Meinung, daß ein sauberes, gepflegtes und nach frisch gebackenem Hefezopf duftendes Zuhause die externe Basis für eine harmonische Beziehung ist. Ich könnte mir eine Beziehung in einem unordentlichen Umfeld nicht vorstellen.

„Viele würden gerne so leben wie ich“

Wieso provoziert das Konzept des „Stay at home girlfriends“ offenbar so viele?

Tolstik: Ich denke das Konzept provoziert, weil viele sich insgeheim wünschen, so zu leben wie ich. Viele Frauen arbeiten jede Woche 40 Stunden, sind im schlimmsten Fall auch noch unzufrieden mit ihrer Arbeit und den Kollegen und fahren am Freitagabend durch den Feierabendverkehr im Regen nach Hause. Am Wochenende steht das Leben auf der Couch an, um sich von der anstrengenden Woche zu erholen.

Dabei werden sie mit den alltäglichen Herausforderungen wie Rechnungen, Haushalt, den Kindern und so weiter konfrontiert. Vielleicht ist es dann frustrierend zu sehen, wie ich meine Terrasse mit Meerblick auf High Heels putzte oder mich nach einem Tag am Strand ermüdet auf die Sonnenliege lege?

Ein weiterer Aspekt ist, daß zahlreiche Frauen sich seit Jahrhunderten für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen einsetzten. Begonnen mit Frida Kahlo über Rosa Parks, bis hin zu Emma Watson, um nur einige zu nennen. Frauen haben sich ihren Weg hart erkämpft und auch heute gibt es noch unendlich viele Bereiche und Länder auf der Welt, in denen Gleichberechtigung ein Fremdwort ist.

Das finde ich nicht gut. Ich bin eine Befürworterin des Feminismus, denn Feminismus bedeutet, anders als viele glauben, daß Frauen die Freiheit haben sollten, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es möchten, unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen. Das schließt auch die Wahl ein, eine Hausfrau zu sein, wenn das der persönliche Wunsch ist.

Welche Vorteile einer traditionellen Rollenverteilung konnten Sie feststellen?

Tolstik: Während ich eher fürsorglich und emotional bin, ist mein Mann stärker und beschützend. Außerdem sind Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar definiert.  Während mein Partner sich voll und ganz auf sein Business konzentrieren kann, darf ich meinen Alltag selbst bestimmen.

Ich teile meinen Tag ein, wie es für mich paßt und mache Dinge, die mir Freude bereiten. Das Wichtigste bei diesem Konzept sind für mich Wertschätzung und Dankbarkeit. Wir beide wissen, was wir aneinander haben, und das macht unsere Beziehung besonders wertvoll. Wir unterstützen uns in allen Lebensbereichen und sind steht’s bemüht, das Leben des anderen und vor allem unser gemeinsames Miteinander ein Stückchen schöner zu gestalten.

Manche meckern, man begebe sich als Hausfrau in Abhängigkeiten zum Mann, wieder andere schimpfen, man sei ja faul und gebe nur das Geld seines Partners aus. Hat der Mann nicht aber auch Vorteile, wenn seine Partnerin daheimbleibt und sich um den Haushalt kümmert?

Tolstik: Shoppen sollte nicht unterschätzt werden, auch Geld ausgeben kann mit viel Anstrengung verbunden sein! (Zwinker.)

Daß die Frau sich auf den Lorbeeren der finanziellen Entlastung ausruhen kann, stimmt nur bedingt. Selbstverständlich leistet der Mann einen großen Beitrag zur Lebensqualität. Die Arbeiten der Frau sind jedoch nicht zu unterschätzen. Einkaufen, putzen, Wäsche waschen, bügeln, kochen, backen sind nur einige der Aufgaben und können nicht nur körperlich durchaus anstrengend sein, sondern auch viel Zeit in Anspruch nehmen.

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Wird einem Mann diese Last genommen, so kann er sich voll und ganz auf seine Verantwortungen konzentrieren und am Ende des Tages seinen wohl verdienten Feierabend genießen. Außerdem sehe ich für meinen Mann gerne gut aus, das weiß er zu schätzen, denn welcher Mann hätte nicht gerne eine schöne Frau an seiner Seite? Mein Sportprogramm zeugt von eisernem Willen und viel Disziplin und auch die Beauty-Routinen sind mit viel Aufwand verbunden. Da ist es natürlich umso schöner zu wissen, daß der Partner das zu schätzen weiß.

Wer sollte im Restaurant zahlen?

Ein häufiges Streitthema, wenn es um Geschlechterrollen geht, ist die Rechnung im Restaurant. Besonders Feministinnen, die immer auf ihre Unabhängigkeit pochen, scheinen plötzlich einer Vorstellung anzuhängen, die sie eigentlich ablehnen: Der Mann als Versorger. Sollte die moderne Frau die Rechnung selbst zahlen, oder den Mann gar einladen?

Tolstik: Es gibt Frauen, die für den Mann bezahlen? Vom ersten Date bis zu heutigen Restaurantbesuchen habe ich nicht ein Mal gezahlt.

Das Bezahlen des Restaurant-Besuch zeugt für mich von Höflichkeit und Wertschätzung gegenüber der Frau. Ich sehe den Mann noch immer in der traditionellen Rolle des Versorgers und Beschützers. Ob eine „moderne“ Frau für den Mann bezahlen möchte, sollte sie für sich entscheiden. Ich lehne es prinzipiell ab – nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil ich meine Unabhängigkeit nicht über eine Restaurant-Rechnung definiere.

Auch von „konservativer“ Seite gibt es Kritik am „Stay at home girlfriend“. Manche sagen, man erfülle die Pflichten einer Ehefrau, obwohl der Mann sich bislang nicht in dieser Form an einen gebunden habe und sich somit alle Optionen offenlasse.

Tolstik: Die Ehe ist ein gesellschaftliches Konstrukt, das für mich mit Stabilität und langfristiger Bindung verbunden ist. Leider fühlen sich viele Menschen dadurch verunsichert, denn unser Leben bietet heute unendliche Möglichkeiten und viele glauben, es sei leichter, den Partner zu ersetzen, statt an einer Beziehung zu arbeiten.  Es ist schon fast ein gesellschaftlicher Widerspruch.

Die moderne emanzipierte Frau erwartet heute von ihren Partnern einen vorzeigbaren Beruf mit finanzieller Sorgenlosigkeit, ein gepflegtes Aussehen, ein schönes Auto und Manieren eines Gentlemans. Alles eher traditionelle Werte und Aspekte. Im Gegenzug sind viele Frauen aber nicht bereit, den entsprechenden Gegenpart zu leisten. Das Essen wird bestellt und zu Hause wird die Jogginghose getragen. Daher kann ich verstehen, daß es Männer gibt, die sich der Verantwortung nicht stellen möchten.

Bieten die sozialen Medien, vor allem Apps wie TikTok, eine Chance, das klassische Rollenbild wieder positiv zu besetzen? Immerhin kann man unter anderem Rezepte oder auch Putztricks mit anderen teilen. Viele bekommen das nicht mehr wie früher von Mutter oder Oma vermittelt.

Tolstik: Social Media ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es eine Scheinwelt, in der Realitäten häufig falsch dargestellt werden. Auch ich poste selten die Schattenseiten des Hausfrauen-Daseins. Jeder sollte wissen, daß man nicht immer Lust hat, den Haushalt zu schmeißen, einfach einen schlechten Tag hat oder nicht immer top gestylt durch die Wohnung läuft.

Andererseits bietet es unglaublich viele Potenziale. Ich kann meine Kreativität ausleben, habe Spaß bei dem, was ich tue und kann viele neue Dinge ausprobieren. Mein Ziel ist die Vermittlung positiver Inhalte, ganz egal, ob ich dabei Menschen unterhalte oder ihnen einen Mehrwert biete. Meine Follower freuen sich beispielsweise sehr über meine Kuchenrezepte, Beauty-Tipps oder Modeinspirationen.

Verzweiflung am Arbeitsplatz (Symbol) und. „Stay at home girlfriend“ Carolina Tolstik: Die junge Frau lebt nach eigenen Aussagen ein schönes Leben, auch ohne Karriere Foto: picture alliance / PantherMedia | Andrey Popov und privat/JF-Montage
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