Der deutsch-syrische Göttinger Politologe und Orientalist Bassam Tibi verwarf schon Jahre vor der aktuell durch den „Karikaturenstreit“ entfachten Diskussion das Konzept der „multikulturellen Gesellschaft“. Er prägte den Begriff Leitkultur, wenn er auch dessen Ergänzung um das Adjektiv „deutsch“ in der CDU-Leitkulturdebatte ablehnte. Dennoch wurde er deshalb von links scharf angegriffen. Doch seine mutige und frühzeitige Kritik der Vertreter des „Multikulturalismus“ ist äußerst treffgenau. Tibi verschärfte jetzt seine Kritik an den deutschen Intellektuellen, die sich einer realistischen Lageanalyse verweigern und schrieb im Berliner Tagesspiegel unter anderem wörtlich: „Sie wollen anderen das freie Denken verbieten“ „Das zentrale Problem der heutigen deutschen Intellektuellen ist … ihre illiberale Haltunge, die darauf abzielt, anderen zu verbieten, was sie sich selbst verboten haben, nämlich das freie Denken. Als Ausländer in diesem Land, der regelmäßig zwischen vier sehr unterschiedlichen Kulturen lebt und weiß, was kulturelle Konflikte sind, die bis zum Krieg gesteigert werden können, habe ich mein Leid mit diesen Intellektuellen … Aus dem Leben zwischen vier Welten (USA, Europa, dem arabischen Nahen Osten und der nichtarabischen Welt des Islam) weiß ich, daß Menschen in kulturellen Systemen sozialisiert werden und deshalb je unterschiedliche Werteorientierungen und Weltsichten haben. Die deutschen Intellektuellen verbieten sich und anderen diese Erkenntnis, weil sie nicht in ihr Weltbild paßt … Verstehen deutsche Intellektuelle heute die Spannung zwischen der Werteorientierung der Pressefreiheit und der von Muslimen wahrgenommenen Schändung ihrer Ehre? Die Folge dieser Spannung ist ein kultureller und auf einer übergeordneter Ebene auch ein Zivilisationskonflikt … Ich bin gegen den weltanschaulichen Krieg der Zivilisationen. Ich weigere mich aber, diesen Konflikt einfach hinwegzuzaubern, denn er ist real …“ „Gegenstrategie einer europäischen Leitkultur“ Und weiter schreibt Tibi: „Multikulti-Ideologen begrüßen die Konstruierung von Kollektiv-Identitäten, selbst wenn sie kämpferisch sind. Deutsche Politiker und Feuilletonisten, die den Islamunterricht einführen wollen … verharren im naiven Glauben, die Integration werde hierdurch vorangetrieben. Richtig hingegen ist das Gegenteil …“ Statt dessen fordert Tibi eine „Gegenstrategie einer europäischen Leitkultur“, um islamische Migranten „zu integrieren und es den Islamisten so zu erschweren, Dschihadisten in der europäischen Islam-Diaspora zu rekrutieren“.
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