Über all den jüngeren Schriftsteller-Talenten, mit denen der deutschsprachige Raum dank diverser Nachwuchspreise und Wettbewerbe reich gesegnet ist, hängt ein großes „Zwar“: Die eine hat zwar einen hochgelobten Erzählband „hingelegt“, ließ dem aber nichts Nennenswertes folgen, der andere vermag zwar gut zu unterhalten, läßt aber jeglichen Anspruch vermissen, wieder andere zeigen zwar vielversprechende Begabung, gelangen aber über einen angelernten Duktus des creative writing nicht hinaus. Kommt es einmal zu einer Jubelrezeption, so darf als sicher gelten, daß andere Kritiker das gleiche Werk als untauglich beschreiben. Wahre – und einhellig als solche geschätzte – Kunst in diesem Metier, so scheint es, setzt zumindest hierzulande ein gewisses Alter voraus. Insofern darf Daniel Kehlmann, dem am Samstag in Köln der Heimito-von-Doderer-Preis verliehen wird, sich eines Alleinstellungsmerkmals rühmen: Keines seiner Bücher, die er seit seinem Debüt „Beerholms Vorstellung“ (1996) nahezu im Jahrestakt produzierte, taugte für einen ernsthaften Verriß. Seine 2005 bei Rowohlt erschienene romanhaft-fiktionale Doppelbiographie über Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt „Die Vermessung der Welt“ löste gar allenthalben Jubel aus. Selten genug, daß ein junger Autor statt Selbsterfahrungsproblematik und Liebesnöten Raum und Zeit oder die „Lebensuntauglichkeit deutscher Geistesgrößen“ (Kehlmann über seine Protagonisten) in den Mittelpunkt seines Schaffens stellte. Der dreißigjährige Vielschreiber, nebenbei als Essayist, Kritiker, Reporter, Feuilletonist, unentwegter Lesereisender und Gastdozent (im kommenden Semester an der Universität Göttingen) beschäftigt, wird gelegentlich als Wunderkind gehandelt. In der Tat ist das Nebeneinander von Quantität und Qualität seines evres unzeitgemäß im besten Sinne, hinzu kommen eine Eloquenz und Bescheidenheit, die ihresgleichen suchen. Der ehemalige Jesuitenschüler wurde als Sohn einer Schauspielerin und des 2004 verstorbenen Regisseurs Michael Kehlmann („Radetzkymarsch“) in München geboren. Seit seiner Schulzeit lebt der bekennende Thomas-Bernhard-Verächter in Wien. Müßig, die Literaturpreise aufzuzählen, mit denen Kehlmann in den letzten Jahren bereits bedacht wurde; ausgesorgt haben im schnöden Sinne dürfte er allein durch den überragenden Erfolg, den ihm die „Vermessung“ bescherte. Ein knappes Halbjahr führte er damit die Bestsellerlisten an, verkaufte allein im deutschsprachigen Raum eine halbe Million Exemplare, wurde in über zwanzig Sprachen übersetzt und besorgte der Literaturdebatte ein bis dato nicht wirklich geklärtes Phänomen: Wie kann ein Buch voller historischer und literarischer Verweise zu einem solchen Verkaufserfolg werden in Zeiten, wo dies nur bei Dieter Bohlen, SS-Beichten, Koch- und WM-Büchern für möglich gehalten wurde? Es scheint, als bestehe Hoffnung.