Wie hältst du’s mit dem 8. Mai?“, das gehört längst zu den Gretchenfragen der deutschen Selbstfindung. Besiegt oder befreit, darüber wird alle Jahre wieder gestritten, und wer sich nicht rückhaltlos befreit fühlt, bleibt allemal suspekt. Wo aber soviel geschichtspolitischer Rauch zu erzeugen ist, darf Guido Knopp nicht fehlen. Der umtriebigste Historiendeuter des deutschen Fernsehens schlägt sich selbstredend auf die korrekte Seite: „Die Befreiung“ heißt seine neue TV-Serie, die seit Dienstag gezeigt wird. Resonanz ist einmal mehr garantiert, wenn das geneigte Publikum Knopp auf den ausgewählten Befreiungsstationen von der Normandie bis ins Ruhrgebiet folgen wird. Man erspart es den Deutschen dabei bemerkenswerterweise, sich durch die Rote Armee befreit fühlen zu sollen. Das Begleitbuch zur Serie wird sich gut verkaufen, und nicht nur hinter vorgehaltener Hand wird deshalb spöttisch gefragt, wozu man in Deutschland eigentlich akademische Geschichte noch brauche, es gebe doch Knopp. In der Tat ist der 1948 im hessischen Treysa geborene Journalist, der „schon immer zum Fernsehen wollte“, zum bekanntesten deutschen Historiker avanciert. Das Medium und Knopps unbezweifelbares Talent zur krachenden Verkürzung machten es möglich. Er präsentiert historische Dokumentation wie Unterhaltung und genauso erfolgreich. Knapp sechs Millionen Zuschauer sahen etwa Knopps Film über Erwin Rommel, atavistisch dargeboten als „Hitlers Krieger“. Im Reality-Soap-Zeitalter machen solche Quoten unangreifbar. Zudem sammelt Knopp zahlreiche Preise. Zuletzt die Goldene Kamera, die Laudatio hielt der israelische Justizminister Josef Lapid. Mangelndes Sendungsbewußtsein und Zurückhaltung in der Wahl seiner Mittel wird Knopp niemand unterstellen. Ob er einen Schauspieler mit weißen Handschuhen liedchenpfeifend an der Rampe von Auschwitz inszeniert, in Aktionärsbriefen mit dem Hinweis auf die Wertsteigerung von NS-Briefmarken ein Zubrot verdient oder versucht, den Holokaust über die Schreibweise mit einem „K“ stärker zu verdeutschen, Knopp bleibt sich treu. Wenn er seinen Film über den Flug von Rudolf Hess mit der Bemerkung abschließt, „es gibt nur eine Wahrheit“, dann deutet nichts in seiner Mimik darauf hin, er wolle den Eindruck vermeiden, persönlich in ihrem vollständigen Besitz zu sein. So hat sein Habitus etwas hohepriesterliches. Der Professorentitel und der Katheder, von dem er gelegentlich seine Kommentare vorträgt, bleiben akademisches Beiwerk. Knopp verkündet statt dessen über den Teleprompter jene Zivilreligion, die das kontrolliert-öffentliche Gedenken an die NS-Zeit als Liturgie verwendet, um der angepeilten Zivilgesellschaft einen geistigen Unterbau zu geben. So gehört auch der Mythos des 8. Mai als Tag der Befreiung zu ihren Grundlagen. Daran würden wohl auch die Folterbilder deutscher Gefangener in US-Gewahrsam von 1945 wenig ändern.