Giovanni di Lorenzo ist eine journalistische Allzweckwaffe. 1999 kam er von der Süddeutschen Zeitung zum Berliner Tagesspiegel. Seitdem war er stets für noch höhere Aufgaben im Gespräch, bei der Welt, der Welt am Sonntag oder beim Focus. Man könnte ihn sich auch beim Spiegel, der Frankfurter Rundschau oder der FAZ vorstellen. Am 15. August wird er Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit. Seine Talkshow „III nach Neun“ bei Radio Bremen moderiert er weiter. Giovanni di Lorenzo wurde 1959 in Stockholm geboren. Sein italienischer Vater ist Geschäftsführer einer Synchronisationsfirma, die deutsche Mutter Psychotherapeutin und Nachfahrin des ostpreußischen Schriftstellers Wilhelm Matull. Er wuchs in Rimini und Rom auf, ohne Fernsehen, dafür mit Proust und Klavierspiel. Nach der Scheidung der Eltern zog er mit der Mutter nach Hannover, wo er sich am Gymnasium mit taillenlangem Haar und linksradikalen Sprüchen hervortat. Als seine Mutter nach Italien zurückging, entschloß er sich, in Hannover zu bleiben, denn: „Meine Heimat ist die deutsche Sprache.“ Er studierte Kommunikationswissenschaft, Neue Geschichte und Politik in München und beendete sein Studium mit einer Magisterarbeit über „Strategie und Aufstieg des Privatfernsehens in Italien am Beispiel der Networks von Silvio Berlusconi“. 1981, nach dem Anschlag auf das Münchner Oktoberfest, bei dem es Tote gab, veröffentlichte er das Buch: „Stefan, 22, deutscher Rechtsterrorist: Mein Traum ist der Traum von vielen“. Damit lag er zum Glück falsch, doch dafür voll in der Zeitgeistkurve. Der Bayerische Rundfunk engagierte ihn als Experten für Rechtsextremismus und dann als Moderator von Jugendsendungen. 1991 organisierte er die Münchner Lichterketten gegen Ausländerfeindlichkeit. Seine allseitige Verwendbarkeit kann auch als Beliebigkeit gedeutet werden, die Perfektion seiner Artikel als gefällige Glätte. Es fehlen ihnen jene politischen Widerhaken, an die sich neue Gedanken knüpfen ließen. Er ist nicht ohne Standpunkt, die Inthronisation der rot-roten Koalition in Berlin zum Beispiel hat er genauso kritisiert wie die Unlust der Berliner Türken, Deutsch zu lernen, aber er leistet sich immer nur soviel Problembewußtsein und Kritik, wie in der Mitte der Gesellschaft en vogue ist. Seine Stärke sind die kommunikativen und organisatorischen Fähigkeiten, weniger die gesellschaftspolitische Analyse. Der Junggeselle mit der Samtstimme hat einen Ruf als Charmeur und Frauenliebling zu verteidigen. Kein Wunder also, daß er unwirsch wie selten reagierte, als Pressegerüchte ihm ein Liebesverhältnis zu Guido Westerwelle nachsagten. Künftig wird er zwischen Hamburg und Berlin pendeln, wo er einen Schreibtisch als neuer Mitherausgeber des Tagesspiegel behält. Mit seiner Flexibilität und Mobilität verkörpert er perfekt den modernen Liberalen. Er ist der Mann, den die Zeit heute braucht.