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„Man gerät ins Visier dieser Leute“

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„Man gerät ins Visier dieser Leute“

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Herr Dr. Glagow, islamische Vereine haben den Eichborn-Verlag wegen des am 7. März erschienenen Buches „Krieg in unseren Städten. Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern“ des FAZ-Journalisten und Geheimdienstexperten Udo Ulfkotte mit einer Flut von Klagen überzogen und ein Erscheinen der Zweitauflage per Einstweiliger Verfügung verhindert. Hat Sie das überrascht? Glagow: Nein, denn wenn man auch nur den Verdacht äußert, daß bei den Aktivitäten der vielen islamischen Vereine und Organisationen in Deutschland auch Politik im Spiel sein könnte, gerät man ganz schnell ins Visier dieser Leute. Man darf sie nicht unterschätzen. Ich kenne einige Fachleute, die bereits eindeutige Drohungen aus dem radikalislamischen Spektrum bekommen haben. Denn wer allzu Kritisches schreibt, stört die Strategie einiger Organisationen, ihre wahren Absichten zu verbergen. Nämlich? Glagow: Zum Beispiel die Erlangung der Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts, denn damit sind steuerliche Vorteile, eine gewisse staatliche Unterstützung, die Möglichkeit zur politischen Einflußnahme und das Recht, an staatlichen Schulen Religionsunterricht zu erteilen, verbunden. Es geht um den Aufbau einer muslimischen Gemeinschaft in Deutschland, die dann auch „islamgerecht“ leben kann. Was bedeutet das? Glagow: Das Ziel ist oftmals die Ausübung der Scharia, also des religiösen Gesetzes des Islam, und die ist bekanntlich in großen Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Tageszeitung „Die Welt“ spricht in diesem Zusammenhang in einer Rezension von Ulfkottes Buch über „kommendes Unheil von unüberschaubarem Ausmaß“. Glagow: Die Welt bezieht sich dabei auf den Eindruck, den man anhand einer Graphik im Buch erhält, die das Einflußnetz einer der wichtigsten islamistischen Organisationen – die auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird -, Milli Görüs, aufzeigt. Wie repräsentativ ist Milli Görüs? Glagow: Viele Dachverbände beanspruchen, repräsentativ für die Muslime in Deutschland zu sein, doch tatsächlich stehen sie wohl nur für eine Minderheit. Milli Görüs hat etwa 30.000 Mitglieder, spielt jedoch eine zentrale Rolle, die das Gewicht der reinen Mitgliederstärke übersteigt. Das Problem ist, daß der Islam keine allgemein anerkannten religiösen Strukturen und Autoritäten kennt, wie das im Christentum der Fall ist. Es gibt also keine verbindliche Institution, die den Islam repräsentiert. Zum einen ist der Islam eine Weltreligion, nach deren Regeln Millionen von Muslimen friedlich leben, ohne etwas Militantes im Schilde zu führen. Allerdings ist der Islam in seinem Anspruch auch ein Ganzheitssystem: Religion, Staat, Politik, Kultur und Gesellschaft bilden die „Umma Islamia“, die islamische Gemeinschaft. Und es existieren daher auch Gruppen, für die der Islam eine Mission bedeutet, nämlich die Welt im islamischen Sinne politisch umzugestalten. Mißbrauchen diese Gruppen den Islam, wie gerne behauptet wird? Glagow: Nein, der Islam enthält neben anderem auch deutliche Ansätze für eine fundamentalistische Interpretation. Anders als das Christentum kennt er nicht die Trennung von diesseitiger und jenseitiger Welt. Daher ist die friedfertige, eher religiöse Interpretation des Islam ebenso zulässig wie die militant-politische. Wir haben es mit einem Januskopf zu tun. Ulfkotte weist darauf hin, daß die Gefahr von uns nicht wirklich wahrgenommen wird. Glagow: Nach meiner Erfahrung sehen die Deutschen, die sich überhaupt darüber Gedanken machen, den Islam meist so, wie sie ihn sehen wollen, nicht so, wie er ist. Kritikwürdiges wird dabei einfach nicht erwähnt, ja darf sogar häufig nicht erwähnt werden. Naivität? Glagow: Vielmehr hängt das eng mit der polit-psychologischen Prägung der Deutschen zusammen. Es ist in Deutschland gefährlich, etwas Kritisches über Nicht-Deutsche zu sagen. Die Prägung, die aus der „Vergangenheitsbewältigung“ resultiert, nützt dem Islamismus? Glagow: Wer gewisse Realitäten, zum Beispiel, was die Einwanderung von Muslimen nach Deutschland angeht, offen ausspricht, stößt in der Regel auf massiven Protest, der ihm leider gesellschaftlich gefährlich werden kann. Sie sprechen von political correctness? Glagow: Ja, leider hat eine selbsternannte „Elite“ in unserem Land die öffentliche Meinungsführerschaft erobert und hält uns von gewissen Wahrheiten fern. Das bezieht sich leider auch auf die Isalmwissenschaft, die schließlich die Grundlage für unsere Beurteilung des Islam liefern sollte. Während die ältere Generation der Orientalisten durch solide und umfassende Kenntnis der Quellen und durch das Studium der 1.400jährigen Geschichte des Islam auch die kritischen Aspekte des Islam in ihre Arbeiten einbezogen hat, lernt die heutige Generation der Islam-Experten diese Hintergründe in der Regel nicht mehr in vollem Umfang kennen. Die Folge ist, daß manche Jüngere vieles nicht mehr verstehen, was in der Geschichte des Islam begründet ist. Dazu kommt, daß es nicht mehr die Regel ist, die Hauptsprachen des Islam, zum Beispiel Arabisch, Türkisch und Persisch zu beherrschen, oftmals reicht das, was man von einer orientalischen Sprache lernt, nicht mehr aus, um das sprachlich schwierige religiöse und historische Schrifttum zu lesen. Manch ein Experte bringt es nur noch zur Lektüre von Zeitungen. Die Fähigkeit, sich ein fundiertes Bild vom Islam zu machen, ist also oft erheblich eingeschränkt. Statt dessen hat mancher moderne Islamwissenschaftler gelernt, die Gebote der politischen Korrektheit zu befolgen. Auch die sogenannten Experten sind demzufolge besorgt, ein Bild des Islam zu zeichnen, wie er sein sollte, statt wie er tatsächlich ist. Im Ausland ist das oft noch anders, dort unterscheiden sich die wichtigen Studien stark in ihrem kritischen Gehalt von dem, was in Deutschland produziert wird. Ich kann unter den jüngeren Islamwissenschaftlern guten Gewissens keinen nennen, der wissenschaftlich herausragt. Man liest fast immer die gleichen Formeln und findet immer wieder die gleichen Denkschemata. Hat sich seit dem 11. September diesbezüglich nichts geändert? Glagow: Nein, denn es wurde schnell die Formel verbreitet, all dies hätte nichts mit dem „wahren“ Islam zu tun. Was aber nicht der Fall ist? Glagow: Natürlich nicht, wie bereits gesagt. Die Terroristen des 11. September haben sich nicht nur selbst als gute Muslime betrachtet, sondern sie hatten durchaus auch Gründe, dies zu tun, da der Islam ihnen Rechtfertigungsmomente bietet. Ulfkotte verwendet in seinem Buch die Formulierung, „der Islam ist eine Religion, der Islamismus eine Ideologie“. Trifft diese Beschreibung zu? Glagow: Das ist durchaus eine mögliche Betrachtungsweise. Während das Christentum eher eine Religion des Werdens ist, daß heißt, sich entwickeln kann, weil die jeweiligen weltlichen Verhältnisse die Inhalte des christlichen Glaubens nicht berühren, ist der Islam eher eine Religion des Seins: So wie es ist, soll es immer sein! Daher kann der Islamismus sich mit seinem Ausschließlichkeitsanspruch zu Recht auch auf den Islam berufen. Eine solche Interpretation des Islam kann in der Tat als Ideologie bezeichnet werden. Ist dann unser Konzept der Integration nicht das falsche Instrument? Glagow: Was den ideologisch gesonnenen Teil der Muslime angeht, auf jeden Fall, bezüglich der übrigen machen wir den Fehler, daß wir unter Integration lediglich materielle Integration verstehen. Wir gehen davon aus, wenn es den Muslime bei uns wirtschaftlich gut geht, dann verhalten sie sich auch ruhig. Das halte ich für einen gefährlich simplen Ansatz. Was wir völlig vernachlässigen, ist die kulturelle Integration. Da sich die geistigen Werte des Westens, wie etwa der Individualismus, letztendlich doch immer wieder nur in Selbstverwirklichung durch Konsum und Entertainment erschöpfen, fragt sich, was Sie denn als kulturelle Integrationsgröße anbieten wollen? Glagow: Das ist das Problem! Wenn die Deutschen natürlich weiterhin leugnen, daß es eine deutsche Leitkultur gibt, wie es unsere Meinungsführer tun, wird parallel die islamische Leitkultur immer stärker werden und sich am Ende durchsetzen. Wenn ich dabei daran denke, daß etwa die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel gesagt hat, sie wisse gar nicht, was deutsche Kultur eigentlich sei, dann sehe ich allerdings in der Tat schwarz für die Behauptung unserer westlichen Werte gegenüber dem Islam. Die Frage ist, ob die deutsche Kultur, so wie sie sich heute darstellt, für die Muslime attraktiv ist. Ganz sicher nicht. Dekadenzerscheinungen wie die Spaßgesellschaft, Sexismus und Materialismus wirken im Gegenteil höchst abschreckend und verachtenswert auf die Muslime – und wer wollte ihnen das auch übelnehmen. Ulfkotte spricht, ebenso wie Sie, von der Notwendigkeit der Achtung des Grundgesetzes durch die Muslime in Deutschland. Ist es als religiöse Minderheit überhaupt möglich, ein Gesetz zu achten, daß seine Vertreter als losgelöst von Gott betrachten? Glagow: Angenommen, wir hätten in Deutschland christliches Recht, würde das von den meisten Muslimen sicherlich positiv betrachtet werden. Die Tatsache, daß wir aber ein säkulares Recht haben, paßt überhaupt nicht zum Konzept einer islamischen Gemeinschaft. Daher können die meisten Muslime unser Rechtssystem in der Tat auf Anhieb gar nicht verstehen, geschweige denn akzeptieren. Ergo muß die Einwanderung einer großen Zahl von Muslimen an sich doch schon zu einem kulturellen Konflikt führen Glagow: Das ist prinzipiell richtig, und das wird auch von den Radikalen auf islamischer Seite erkannt und zu ihren Gunsten ausgenutzt, während es von deutscher Seite aus genannten historisch-ideologischen Gründen ignoriert wird. Wieviele radikale Molems gibt es in Deutschland? Glagow: Darüber streiten sich die Experten, vermutlich handelt es sich um etwa 100.000 militante Personen. In Großbritannien billigten etwa zehn Prozent der Muslime die Anschläge vom 11. September 2001. Wenn man diese Zahl auf Deutschland überträgt, wären das bei 3,5 Millionen Muslimen hierzulande mindestans 350.000 Sympathisanten für den radikalen Islam. Hier wächst also ein Radikalismus heran, der bei weitem über das Potential von Links- und Rechtsradikalismus in Deutschland hinausgeht. Den extremen Antisemitismus dieser Gruppen brauche ich dabei gar nicht zu erwähnen. Dennoch befindet sich dieser Extremismus gegenüber Links- und erst recht dem Rechtsextremismus in einer komfortablen Situation. Denn er bleibt bislang von der deutschen Öffentlichkeit nicht nur weitgehend unbeachtet – wenn er nicht gar auf ein gewisses Verständnis stößt – sondern kann auch auf enorme finanzielle Ressourcen aus dem Ausland, etwa aus Saudi-Arabien, zurückgreifen. Wie beurteilen Sie die Reaktion der deutschen Sicherheitsbehörden? Glagow: Man muß zugestehen, daß eine geheimdienstliche Infiltration der radikalislamischen Szene dem Verfassungschutz nahezu unmöglich ist. Denken Sie nur an die Sprach- und Kulturbarriere. Zwar wurde bereits der Kalifatstaat des „Kalifen von Köln“ verboten, aber andere, prinzipiell nicht minder gefährliche Organisationen kommen ungeschoren davon. Warum? Glagow: Das hängt zum einen mit dem bereits erwähnten Wohlwollen gegenüber dem Islam zusammen, zum anderen scheut man davor zurück, die Islamisten zu provozieren. Laut Ulfkotte „rüsten die Islamisten bereits zum Angriff auf den deutschen Rechtsstaat“, schon hätten sie ihren „Einfluß bis in die entlegensten Winkel unserer Gesellschaft“ ausgedehnt. Glagow: Der bekannte Soziologe Bassam Tibbi geht davon aus, daß es entweder zu einer Europäisierung des Islam, oder aber zu einer Islamisierung Europas kommen wird. Welche Entwicklung sagen Sie voraus? Glagow: Ich bin Islamwissenschaftler und kein Wahrsager, aber ich sehe es als großes Problem der Zukunft an, mit dem Islam in Europa ein gedeihliches Miteinander zu finden. Also kommt der „Krieg in unseren Städten“? Glagow: Noch sind wir nicht so weit, aber wir tun heute nicht das Nötige, um ihn in Zukunft zu verhindern. Das Schlimme ist, daß sich manche anscheinend mit diesem Szenario bereits abgefunden haben. Ich weiß von einigen bekannten Persönlichkeiten aus der Politik, deren Namen ich nicht nennen möchte, daß sie durchaus mit dem Eintreten einer solchen Entwicklung rechnen. Dr. Rainer Glagow studierte Islamwissenschaften, Geschichte und vergleichende Religionswissenschaft in Bonn. Er lehrte drei Jahre an der Universität von Kairo und war sieben Jahre stellvertretender Direktor des Deutschen Orientinstituts in Hamburg. Heute ist der Publizist Dependance-Leiter einer Stiftung in Berlin. Geboren wurde er 1941 in Frankfurt an der Oder. „Der Krieg in unseren Städten“ von Udo Ulfkotte darf per Einstweiliger Verfügung auf Antrag der Islamischen Föderation in Berlin e.V. seit 7. Mai nicht mehr ausgeliefert werden (bereits gelieferte Exemplare bleiben im Handel). Angesichts der enormen Kosten durch die drohende Prozeßlawine erwägt Eichborn, dem „systematischen finanziellen Druck … zur Zensur des Buches“ (Eichborn Pressetext) nachzugeben. weitere Interview-Partner der JF

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