Kaum treffender hätte ein Dramaturg in Anlehnung an Shakespeares „Julius Caesar“ eine Parteitagsrede entwerfen können, in der das politische Ende Ronald Schills – hervorgerufen durch Intrigen der eigenen Entourage – beklagt würde. Ist Dirk Nockemann, bisher Büroleiter des jüngst aus dem Rathaus geschaßten Ronald Schill, tatsächlich ein „Brutus“, wie sein ehemaliger Chef grollend verlautbarte? Hat er sich tatsächlich mit dem Ersten Bürgermeister Ole von Beust verbündet, um vom Vorzimmer an die Schaltstelle der Macht in der Innenbehörde zu gelangen? Alles Spekulationen. Tatsache jedoch ist, daß der vom Sozialdemokraten zum Rechtsstaatlich Offensiven gewandelte Nockemann sich an diesem Mittwoch als designierter neuer Innensenator der Bestätigung durch die Bürgerschaft stellen mußte. Und dieser Wahlvorgang bereitete zuvor den Verantwortlichen in der Koalition des Bürgerblocks so einige Sorgen. Denn die Mehrheit für diese Wahl hing von drei Stimmen ab, und es kursierten Gerüchte, wonach nicht alle in der Fraktion der Schill-Partei die Verfahrensweise goutierten, in welcher der Parteigründer über die Klinge springen mußte. Daß Nockemann seinem ehemaligen Chef dann auch noch öffentlich ein „Wahrnehmungsdefizit“ attestierte, dürfte die Situation nicht gerade entschärft haben. Eigenen Aussagen zufolge möchte der 45jährige Verwaltungsjurist, der vor seiner politischen Karriere Direktor des Landesamtes für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten in Mecklenburg-Vorpommern war, weiter im Innenressort die Umsetzung des Parteiprogramms betreiben; das heißt vorrangig die Bekämpfung der Jugend- und der Drogenkriminalität fortsetzen. Mit Blick auf die seinem Amtsvorgänger nachgesagte Profilierungssucht bemerkte Nockemann: „Ich werde arbeiten und notwendige Prozesse umsetzen. Für Symbolik haben wir keine Zeit mehr.“ Also keine Laufsteg-Defilees blaugewandeter Ordnungshüter und keine Polizeimotorräder nach amerikanischem Vorbild? Tatsächlich wird sich mit dem Amtswechsel wohl weniger das Programm als der Stil ändern. Im Gegensatz zum Junggesellen Schill ist der Familienvater Nockemann kein Freund großer Auftritte, sondern einer, der in der Stille arbeitet und aus dem Hintergrund die Strippen zieht. So jedenfalls das Bild, das in den Hamburger Medien von ihm gezeichnet wird. Die erwünschte Botschaft ist klar: Nach dem sprunghaften Polterer kommt jemand, der die Arbeit der Koalition in ruhigeres Fahrwasser leiten wird. Dem Präses der Innenbehörde mögen diese Attribute gut anstehen – die Frage ist nur, ob dies auch in nicht allzu ferner Zukunft an der Wahlurne genauso plausibel erscheinen wird. Parteiinterne Kritiker machten im vergangenen Jahr immer wieder einen verantwortlich für die Durchkreuzung ihrer Pläne bei der bundesweiten Ausdehnung der Partei: Dirk Nockemann. Loyalität sei keine Einbahnstraße, meinte dieser jüngst mit Blick auf seine Behörde. Ob er dabei auch an seine Partei gedacht hat?
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