Obgleich man sich gerade auf ein „Sichtbares Zeichen“ geeinigt hat, um auch der deutschen Vertriebenen zu gedenken, wird Ostdeutschland als kulturelles Erbe zunehmend ausgeblendet, was zu skurrilen Stilblüten führt. Ausgerechnet bei der guten alten Tante Zeit hat man sich nun völlig mit der Topographie vergaloppiert. Unter der Überschrift „Polen – Heimat der Gräfin Dönhoff“ wirbt die Reisebeilage des Blattes für „die Heimat von Marion Gräfin Dönhoff“, ihrer langjährigen Herausgeberin. Das ist – trotz Dönhoffs bekundeter polonophiler Haltung – sogar doppelt falsch, denn die Ostpreußin wuchs auf Schloß Friedrichstein auf, und das befindet sich im heute russischen Teil der früheren deutschen Provinz. Auch die Werbekampagne der Pilsner Urquell Brauerei aus Westböhmen, die großflächig damit wirbt, daß ihr Bier „eigentlich aus Deutschland kommen müßte“, wirkt geschichtsvergessen. Nicht nur daß der deutsche Brauer Josef Groll 1842 im deutsch geprägten Pilsen die Bierbereitung nach „Pilsner Brauart“ entwickelte, dessen deutschsprachige Bewohner spätestens nach 1945 vertrieben wurden. Pilsen war bis 1866 auch integraler Bestandteil des Deutschen Bundes – und das nicht nur „eigentlich“.