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Griff nach der Bombe

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Allen Warnungen zum Trotz hat Nordkorea einen Atomtest durchgeführt. Ob es wirklich eine „echte“ Atombombe war, ein richtiger „großer Knall“, oder nur ein „nukleares Zischen“ oder – das wäre die erschreckendste Version – bereits eine Miniatombombe, wie sie auch den USA vorschwebt, wird unter Fachleuten derzeit diskutiert. Eine nukleare Explosion war es aber auf jeden Fall. Wie erwartet hat die internationale Politik sofort mit der Einschaltung des UN-Sicherheitsrats reagiert. Am vergangenen Wochenende hat er einstimmig eine halbherzige Resolution verhängt. Entsprechend der Forderung Rußlands enthält sie keine Gewaltandrohung. Vor diesem Schwert ohne Griff und ohne Klinge braucht sich niemand zu fürchten. China und Südkorea haben inzwischen bereits erklärt, daß sie ihre gutnachbarlichen Wirtschaftsbeziehungen zu Nordkorea nicht einschränken wollen. Es mag sein, daß sich Kim Jong-il, der „liebe Führer“ der „Demokratischen Volksrepublik Korea“, jetzt zufrieden zurücklehnt und sich darüber freut, daß ihm dieser Akt politischer Kraftmeierei gelungen ist. Immerhin hat das Land damit deutlich gemacht, daß man sich in den Club der Atommächte auch selbst aufnehmen kann. Mit seiner waghalsigen Politik am Abgrund hat das nordkoreanische Regime eher wohlüberlegt als durch den blinden Zufall der Dummheit auch noch einiges mehr deutlich gemacht und klargestellt: Nach den USA, Rußland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Israel und Pakistan ist mit Nordkorea nun der neunte Staat im Besitz von Atomwaffen. Damit ist die Welt nicht sicherer geworden. Erstens hat Nordkorea ja auch noch ein Raketenprogramm und ist also rein perspektivisch in der Lage, einige seiner Nachbarn nuklear zu bedrohen. Zweitens erhöht sich wieder einmal die Gefahr, daß nukleares Material oder sogar fertige Kernwaffen in anderen Ländern oder bei Terrororganisationen landen. Daß Pjöngjang bereits mit seinen Raketen einen lukrativen Handel etwa mit Iran und Pakistan betrieben hat, ist lange bekannt. Drittens wird man nicht um die Feststellung herumkommen, daß der koreanische Atomtest den internationalen Atomwaffensperrvertrag als untaugliches Instrument abgewertet hat. Für die von den USA dominierte internationale Sicherheitsarchitektur dürfte die wichtigste Erkenntnis allerdings die sein, daß die Politik der Regierung Bush gegenüber Nordkorea gescheitert ist. „Pjöngjangs Provokationen“, so Kay Möller, ein Nordostasienexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, „sind offensichtlich eine Reaktion auf die Politik der Bush-Administration, die Einbindungsversuche ihrer Vorgänger aufgegeben.“ Dabei hatte es vor sechs Jahren schon eine unterschriftsreife Vereinbarung zwischen Nordkorea und den USA gegeben. Die damals amtierende US-Außenministerin Madeline Albright hatte Kim Jong-il in Pjöngjang besucht und mit ihm den Verzicht auf die weitere Eskalation der Raketen- und Nuklearrüstung ausgehandelt. Im Gegenzug bot Washington Lebensmittelhilfe für eine Milliarde Dollar, eine Nichtangriffsgarantie und die Aufnahme normaler Beziehungen an. Präsident Bill Clinton, so war vorgesehen, sollte die Vereinbarung anläßlich einer Nordostasienreise in Pjöngjang unterzeichnen. Wegen der sich hinziehenden Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 kam es nicht mehr zu diesem Besuch. Nachfolger George Bush beendete die Politik des ernsthaften Verhandelns abrupt, deklarierte Nordkorea im Januar 2002 zu einem Teil der „Achse des Bösen“ und erklärte das Land zwei Monate später zum potentiellen Ziel amerikanischer Nuklearangriffe. „Wir haben die Neigung, so etwas zu verdrängen“, räumte die New York Times dieser Tage ein. Nordkorea verfügt nach Einschätzung des Strategieexperten Anthony Cordesman vom Center of Strategic and International Studies (CSIS) wahrscheinlich schon seit 2003 über ein „signifikantes Atomwaffenpotential“ von vier bis elf Nuklearsprengsätzen. Das Land kann es sich demnach leisten, einen Sprengsatz zu testen, denn es besitzt dann immer noch Waffen, mit denen es vor einem Angriff abschrecken kann. Der Atomtest zu diesem Zeitpunkt ist auch eine aktuelle Antwort auf die Anfänge einer amerikanischen Strangulierungsstrategie, die vor einem Jahr mit Finanzsanktionen begonnen hat. Wahrscheinlich will man nun nach innen und außen demonstrieren, daß man sich nicht verunsichern und einschüchtern läßt. Dem gleichen Zweck dienten sicher auch schon die (nur halb gelungenen) Raketentests vom Juli dieses Jahres. Kim Jong-il will damit zeigen, daß seine Eskalationsstrategie weiter greift. Ein weiteres, beunruhigendes Motiv könnte die Präsentation rüstungstechnologischen Könnens sein: Die Zündung eines nuklearen Sprengkörpers wäre dann für das devisensuchende Pjöngjang eine Art „Marketing-Aktion“. Der Atomtest soll dann potentiellen Käufern zeigen, daß es sich lohnen könnte, mit den Verkäufern zu verhandeln. Zumindest ein Staat aus der „Achse des Bösen“ ist jetzt Atomwaffenstaat mit einem Nuklearwaffenpotential, das sich seit Beginn der Amtszeit Bushs vervierfacht hat. Ein zweiter „Achsenstaat“, der Iran, hat nun weitere Anreize, eigene Atomwaffen anzustreben, „weil“, so Sebastian Harnisch von der Münchener Bundeswehruniversität, „das Beispiel Nordkorea zeigt, daß gelungene Atomtests ein Land davor bewahren können, Ziel eines amerikanischen Angriffs zu werden.“

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