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Ausdruck der Ohnmacht

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Die Soldaten, die im Zusammenhang mit den vermeintlichen Skandalfotos aus Afghanistan aus der Bundeswehr entfernt wurden oder noch werden, werden hoffentlich eines Tages rehabilitiert – von einer deutschen Regierung, die es besser kann, von einem Regierungschef vielleicht, der diesen Namen verdient. Bundeskanzlerin Merkel verhielt sich so, wie man es von ihr erwarten konnte: stümperhaft, hysterisch und würdelos. Da etliche Männer in ihrer Umgebung dieselbe Charakterisierung verdienen – angefangen bei Verteidigungsminister Jung und aufgehört bei Generalinspekteur Schneiderhan -, liegt eine dringende Forderung nahe: Unter einer solchen Führung dürfen deutsche Soldaten an keinem Kampfeinsatz mehr teilnehmen. Was war vorgefallen? Etliche Soldaten haben auf ihren Patrouillefahrten in Afghanistan Halt an einem Gräberfeld gemacht. Dort lagen (und liegen) weit verstreut die Gebeine Hunderter Verscharrter. Es mögen russische Soldaten sein. Die deutschen Soldaten jedenfalls lichteten einander ab – in der Nähe zu diesen längst verwesten Toten auf dem Schlachtfeld, in aufmüpfigen Gesten bis hin zu obszönen Posen. Die Kanzlerin ist „entsetzt“, eine Überprüfung der ethischen Ausbildungsteile in der Vorbereitung auf den Auslandseinsatz ist angeordnet, das „Zentrum Innere Führung“, das aus dem deutschen Soldaten einen Beamten mit Schützenschnur gemacht hat, wittert Hochkonjunktur. Von den blutjungen Tätern sind zwei gleich vom Dienst suspendiert worden, andere werden folgen: Man wird ihr Leben durch Vorstrafen stempeln. Es steht außer Frage, daß kein Soldat sein entblößtes Glied an einen Totenkopf halten sollte. Es wurde aber nicht getötet, nicht gefoltert, nicht vergewaltigt. Es gibt makabre Bilder junger Soldaten, die im Einsatz nicht mehr und nicht weniger sind als weiterhin Kinder ihrer Zeit. Warum sollten sie in Kabul plötzlich anders handeln als zu Hause? Der Skandal um die Bilder müßte keiner sein. Er ist ein gemachter Skandal, und eben dieses Machen, dieser Umgang mit schäbigen Schnappschüssen unreifer junger Männer in Ausnahmesituationen ist der eigentliche Skandal. Die Bild-Zeitung forscht selbst die unappetitlichsten Abgründe jedes Prominenten und jeder menschlichen Tragödie in höchster Auflösung und völlig distanzlos aus. Die sensationsgierige Präsentation der Bilder aus Afghanistan durch Bild hat die Störung der Totenruhe durch deutsche Soldaten millionenfach multipliziert und – sei es leichtfertig, sei es aus Berechnung – eine makabre, aber unbedeutende Handlung zu einem außenpolitischen Problem und einer Gefährdung der deutschen Soldaten vor Ort werden lassen. Wie viele Digital-Bilder entstehen Tag für Tag in Deutschland? Selbst die unwichtigste, zufälligste Szene wird festgehalten. Bild bezahlt Hobby-Paparazzi, und weil sich immer irgendeiner findet, der für ein paar tausend Euro zum Denunzianten wird, kann man in Abwandlung von Andy Warhol sagen, daß im Medienzeitalter jeder Mensch 15 Minuten lang im Zentrum eines Skandals stehen kann. Irgendeiner wird immer daran verdienen und die Verantwortungslosigkeit der Skandalisierung mit dem hehren Anspruch der Aufklärung begründen. Solche Überlegungen helfen den Soldaten nicht, die in ein paar Wochen vorbestraft auf der Straße stehen werden. Sie sind in zweifacher Hinsicht Opfer ihrer Zeit: Sie sind unerzogen und sollen unter den Augen der Kameraobjektive beinahe staatsmännisch ihr Land in einem verworrenen Krieg vertreten. Sie können gar nicht wissen, daß sie für das journalistische und politische Kalkül bloß Verfügungsmasse sind und der Auflagenhöhe oder dem Gesetz des parteipolitischen Tageskampfs jederzeit geopfert werden können. Opfer sind die Soldaten in Afghanistan aber auch, wenn sie in der Vorbereitung auf den Einsatz den Ethiklehrer aus dem „Zentrum Innere Führung“ hinter sich gebracht haben. Sie sind dann keinesfalls auf einen Krieg vorbereitet und spüren verängstigt, daß dieser Krieg, den bisher doch bloß die Amerikaner, Briten und Kanadier führen, jederzeit über sie hereinbrechen könnte, und daß sie dann mit ethischer Kompetenz und kulturellem Feingefühl nicht weiterkommen werden, sondern allein mit Aggressivität. Dann müssen sie sich wehren, müssen schneller schießen als der Feind, denn um zu überleben wird es nicht genügen, als Staatsbürger in Uniform den Dialog zu suchen. Was ist gegen all das, was im Falle des Kampfes geschehen kann und wird, eine Pose mit einem Totenschädel? Ausdruck der Ohnmacht, der Bedrohung, der gespürten Nähe zum Tod und der makabren Überlegenheit des (noch) Lebenden über einen Toten? Dann wäre es am Führer vor Ort, den Soldaten, den blutjungen, verhaltensunsicheren, ausgesetzten jungen Männern einen kameradschaftlichen Stoß zu geben und zu sagen, daß man das, was sie taten, nicht tut. Sie hingegen der Öffentlichkeit auszuliefern und damit wiederum zu opfern, ist das Verantwortungsloseste, was man tun kann. Es bedeutet nichts weniger, als den Erziehungsauftrag in dem Moment aufzugeben, in dem der Schutzraum, den jeder Unreife benötigt, dringender vonnöten wäre als jemals sonst.

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