Diese Frage kann nur mit einem fettgedruckten „Ja“ beantwortet werden. Selbstverwaltung ist weitgehende Selbstverantwortung der Versicherten und Arbeitgeber in den sozialen Sicherungssystemen der Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung. Die Selbstverwaltung ist ein wesentliches Merkmal unserer demokratisch verfaßten staatlichen Ordnung. Die alle sechs Jahre zu wählenden Selbstverwaltungsorgane sind die Vertreter der Beitragszahler (Arbeitnehmer und -geber). Sie führen ihr Mandat ehrenamtlich, beschließen die Satzung, die Beitrags- und Leistungsgestaltung sowie sonstiges autonomes Recht, stellen den jährlichen Haushaltsplan fest und kontrollieren den Vorstand. Sie bilden Widerspruchsausschüsse und wählen die Versichertenältesten für eine ortsnahe Beratung der Rentenversicherten. Bereits in der Kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 wurde die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung eingeführt. Die Gewährung von Sozialleistungen sollte nicht durch staatliche Behörden, sondern über Mitverantwortung der sozialen Aufgaben durch die betroffenen Arbeiter erfolgen. Dieser Grundsatz hat noch heute seine uneingeschränkte Berechtigung. Eine Kritik an den Kosten, ein Euro je Wahlberechtigten ist ungerechtfertigt; es werden dazu keine Steuergelder vergeudet. Eine Wahlbeteiligung von 43,85 Prozent im Jahre 1986 bzw. von 38,41 Prozent 1998/99 läßt im Vergleich mit den Europawahlen jede Kritik ins Leere laufen. Die Kritiker sollten vielmehr untersuchen, warum in den Medien die Sozialwahlen kaum Beachtung finden. Wer die Selbstverwaltung für nicht mehr zeitgemäß erklärt, muß sagen von wem die Sozialversicherungen zu verwalten sind. Staatliche Behörden sind dafür ganz und gar ungeeignet. Der Staat sollte Einmischungen vielmehr unterlassen. Günter Wiese ist Geschäftsführer der Christlichen Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation, Regionalverband Ost. Sozialwahl 2005 – zum Placebo verkommen? Rentenversicherungen, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften haben eine Selbstverwaltung, die ehrenamtlich besetzt ist. Der Bürger hat das Recht der Wahl – ohne daß er wählen darf. Denn wen, was und wofür bleibt im Dunkeln und ist damit in dieser Form ein Musterbeispiel für erstarrte, heute sinnentleerte Regelungen und pseudodemokratisches Ritual mit Wohlfühlfolklore, so ein Vertreter der Stiftung Marktwirtschaft. Nur bei acht von 351 Versicherungsträgern gibt es richtige Wahlen und auch dort trifft man vornehmlich nur auf Namen des Kartells der Arbeitgeber und Gewerkschaften. Es ist hinlänglich bekannt, daß prinzipiell auch durch sie kaum etwas zu entscheiden ist, denn die überbordende Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit läßt keinen Spielraum der Entscheidungen, die nur noch fünf Prozent betragen. Übrig bleibt die Wahl der bereits vor der Wahl ausgesuchten bekannten Gesichter – die dann die Vorstände und Geschäftsführer wählen und damit die Personalpolitik bestimmen. Dort, wo nicht gewählt wird, spricht man von einer „Friedenswahl“, ohne die Versicherten zu fragen. Und so schließt sich der Kreis, ohne Offenlegung des Erreichten oder Konzepte der zukünftigen notwendigen Reformen – kein Wunder bei der Dominanz der Gewerkschaften. Über siebzig Millionen Versicherte werden von sieben Millionen DGB-Gewerkschaftlern bestimmt. Was in den früheren Jahren der Bundesrepublik Deutschland Sinn machte, hat sich über Sozialrecht, Arbeitsrecht etc. überflüssig gemacht. Alle Versicherungssysteme gehören auf den Prüfstand, aber mit Beteiligung der Versicherten. Helmut Witzel ist Vorsitzender der Liberalen Senioren Hessen ( www.liberale-senioren-hessen.de ).
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