Zur Zeit erleben wir in den USA einen sehr spannenden und lebendigen Wahlkampf, welcher mit den Vorwahlen um die Präsidentschaftskandidatur begonnen hat. Diese Vorwahlen werden in den USA erst seit Mitte der fünfziger Jahre von allen Bundesstaaten durchgeführt und wurden eingeführt, um das Wahlverfahren zu demokratisieren. Vorher waren es kleine Gruppen von einflußreichen Politikern, die hinter verschlossenen Türen die Kandidaten auswählten. Die Meinung der Parteimitglieder und Bürger blieb außen vor. Die eigentliche personelle Entscheidung fällt auch heute noch auf den US-Parteikonventen. Die Vorwahlen sind aber mehr als ein vorentscheidendes Stimmungsbarometer. Sie machen Personalfragen öffentlich und damit unverkrampfter. Damit ist der Einfluß anonymer Parteiapparate erkennbar zurückgedrängt. Dieses System ist übrigens für den Amtsinhaber viel gefährlicher als unsere anödenden K-Debatten. Die Vorwahlen geben aber auch Außenseitern und Seiteneinsteigern – wie beispielsweise Jimmy Carter oder Ronald Reagan – eine offene Chance als Kandidat. Das Auftreten und die politische Überzeugungskraft der Person sind dabei weitaus wichtiger als alle Strippenzieherei. Hierfür muß – ganz anders als bei uns – die wirkliche Basis bearbeitet und überzeugt werden. Nicht daß es bei den Vorwahlen keine Intrigen und andere Gemeinheiten gäbe, aber das System ist unvergleichbar mehr demokratisch im engeren Sinne des Wortes. Deshalb: Wir brauchen ein verändertes Wahlsystem, das dafür sorgt, daß die Spitzenkandidaten der Parteien zukünftig direkt von den Mitgliedern oder Wählern gewählt werden. Dr. Peter Gauweiler ist CSU-Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien. Wir müssen uns zunächst klarmachen, wer da eigentlich vorgewählt werden soll. Wir haben keinen Präsidenten, der vom Volk direkt gewählt wird, und von daher gibt es keine Möglichkeit, die Amerikaner einfach direkt nachzuahmen. Wir haben vor vielen Jahren darüber diskutiert und damit experimentiert. Es ist längst wieder vergessen, daß zum Beispiel die CDU in Rheinland-Pfalz um 1970 mit diesem Vorwahlmuster einmal experimentiert hat. Man hat das dann wieder fallenlassen. Die SPD hat solche Vorwahlen indirekt zur Feststellung des Parteivorsitzenden benutzt. Damals stand Rudolf Scharping gegen Gerhard Schröder. Das Volksbegehren hob Scharping auf den Thron. Eine Entscheidung, die das Volk inzwischen gar nicht mehr so gut gefunden haben wird. Die SPD hat nie wieder auf diese plebiszitäre Weise einen Vorsitzenden ernannt. Wenn wir nach Amerika schauen, so sind die Vorwahlen in der Zeit des Populismus entstanden. Was sind die Folgen in Amerika? Erstens eine enorm herabsinkende Wahlbeteiligung bei den ordentlichen Wahlen. Gerade in Ländern und Staaten mit Parteihochburgen fragt der Wähler sich, warum er noch zur Wahl gehen sollte, wenn längst alles durch die Kandidatenaufstellung entschieden ist. Das führt zu einer Verödung der Parteienlandschaft. Wir haben zweitens auch keine Kanzlerdirektwahlen, obwohl dies insbesondere von rechten Parteien immer mal gefordert wird. Im Augenblick ist die Direktwahl des Bundespräsidenten im Gespräch. Wenn Deutschland einen solchen direkt gewählten Präsidenten besäße, könnten wir mit Vorwahlen operieren. Aber das haben wir noch nicht und müßten dafür das komplette System in Richtung eines semi-präsidentiellen Systems wie in Frankreich ändern. Diese Totalreform wäre mit vielen heute existierenden Institutionen nicht vereinbar – zum Beispiel mit dem konstruktiven Mißtrauensvotum und der Regelung der Auflösung des Bundestages. Prof. Dr. Klaus von Beyme ist emeritierter Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
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