Das von namenlosen Gewerkschaftsfunktionären auf den Weg gebrachte Projekt einer neuen Linkspartei verspricht, ein Selbstläufer zu werden. Die Wahlforscher unseres Landes sehen sie nahezu unisono die Fünf-Prozent-Hürde problemlos überwinden. Angeblich kann sich jeder dritte Bundesbürger vorstellen, ihr seine Stimme zu geben. Einer neuen Linkspartei wird es sicher gelingen, manch enttäuschten Nicht-Wähler anzusprechen. Vor allem aber dürfte sie Stimmen von der SPD zu sich hinüberziehen – vielleicht sogar in einem solchen Ausmaß, daß die Sozialdemokraten bald bundesweit Ergebnisse erzielen, die man momentan nur aus den „neuen Bundesländern“ kennt. Schaden nehmen wird darüber hinaus die PDS, deren vage Hoffnungen, vielleicht doch einmal peu à peu im Westen Fuß zu fassen, schwinden und die endgültig in die Rolle einer ewiggestrigen Regionalpartei der Einheitsverlierer abgedrängt zu werden droht. Und nicht zuletzt sollte eine neue Linkspartei sogar im Potential von CDU und CSU wildern können: Manche Angehörige des sogenannten Arbeitnehmerflügels, die die SPD für unsozial halten, der Union aber aus unerfindlichen Gründen ausgerechnet auf diesem Gebiet mehr zutrauen, hätten nun die Gelegenheit, zu einer unverbrauchten Alternative abzuwandern. So erfolgversprechend das Projekt einer neuen Linkspartei auch scheint, so gering sind zugleich seine Chancen, in diesem Land tatsächlich etwas zu bewegen. Dazu sind bereits ihre Ziele zu maßvoll formuliert. Anders als immerhin noch Teile der PDS streben ihre Initiatoren keine grundsätzliche Systemalternative an. Sie stellen sich statt dessen bewußt in die sozialdemokratische Tradition und lassen es damit bewenden, den Sozialstaat bewahren und die dazu notwendige Umverteilung wieder vom Kopf auf die Füße stellen zu wollen. Mit ihren Forderungen nach Arbeit und sozialer Gerechtigkeit unterscheiden sie sich letztlich nicht von Gerhard Schröder und selbst noch nicht einmal von Angela Merkel. Da eine neue Linkspartei kaum in die Nähe der absoluten Mehrheit gelangen dürfte, wird sie Koalitionen eingehen müssen. Schließt sie eine solche mit der SPD, könnte es ihr gelingen, diese in den ihr wichtigen Fragen auf einen neuen Kurs, der der alte sozialdemokratische wäre, zu bringen. Damit entzöge sie sich aber selbst den Boden, ist sie doch entstanden, weil die SPD sich selbst untreu geworden ist. Wahrscheinlicher ist aber, daß sie in einer derartigen Koalition gezwungen wäre, vor den gleichen Realitäten zu kapitulieren wie bereits der Kanzler mit seiner Agenda 2010. Sie wird die Notwendigkeit einschneidender Reformen erkennen, deren Last die Arbeitnehmer zu tragen haben, damit den Arbeitgebern die Lust am Standort Deutschland nicht ganz vergeht. Neben der PDS und der SPD gäbe es dann eine weitere „linke“ Partei, die unter dem Vorwand, die Interessen der Massen zu wahren, das Geschäft einer vermögenden Minderheit betreibt.
- Deutschland