Gab es jemals Streit zwischen Gerhard Schröder und George W. Bush? Falls ja, sind die immer wieder zu „Meinungsverschiedenheiten zwischen Freunden“ heruntergeredeten Differenzen letzte Woche einem großen Gelächter gewichen. Beide Staatsmänner präsentierten sich im Oval Office auf zwei blau-cremefarbenen Sesseln den Medienvertretern in „gelöster Stimmung“. „Welcome back“ – so empfing der US-Präsident seinen deutschen Gast, dem er lange Zeit den Zugang zum Weißen Haus verwehrt hatte. Und der Kanzler erwiderte artig: „Ich freue mich, wieder hier zu sein.“ Was genau Schröder die Türen in das Weiße Haus wieder geöffnet hat, darüber kann jetzt trefflich räsoniert werden. Ist es der laufende Wahlkampf in den USA? Hat Bush endlich erkannt, daß es ohne die Germans doch nicht geht? Oder ist es einfach das Humorpotential des Kanzlers, dem sich der US-Präsident auf Dauer nicht entziehen kann? Schließlich bekannte Bush: „Wer mich zum Lachen bringen kann, mit dem komme ich auch gut zurecht.“ Dies pflegten früher die Könige über ihre Hofnarren zu sagen. Nein, eine derartige Analogie wäre doch zu bösartig. Schließlich suchten beide Politiker, wie die Medien nicht müde wurden zu betonen, „wieder den direkten Blickkontakt“. In der Tat: das ist ein substantieller Fortschritt. Und dann der herzliche Händedruck vor den Kameras: Wenn dieser nicht auch den letzten Skeptiker überzeugt davon hat, daß es in Washington eine erfolgreiche Beziehungstherapie zu beklatschen gab, was bitte dann? Hinter den Kulissen arbeiteten die diplomatischen Knechte – mehr als ungewöhnlich für einen bloßen Arbeitsbesuch – an einer gemeinsamen Erklärung, mit der künftige „Mißverständnisse“ in den deutsch-amerikanischen Beziehungen vermieden werden sollen. Die Inhalte dieser Erklärung kommen wirklichen Paukenschlägen gleich. Den Deutschen wird eine „echte Partnerschaft“ für mehr Demokratie und Freiheit im Nahen Osten in Aussicht gestellt. Ebenso verständigte man sich auf das gemeinsame Ziel eines freien und souveränen Iraks. Und schließlich erfolgte das Bekenntnis zur Nato als unverzichtbarem „Anker der gemeinsamen Verteidigung“. Nicht zu vergessen: Gemeinsam müßten die „Herausforderungen eines neuen Zeitalters“ bewältigt werden: „Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, Tyrannei, Armut, mangelnde Chancen und gewaltsamer Extremismus“. Dem Kanzler ging es, wie einem Tributpflichtigen vor seinem Oheim, vor allem darum, die deutschen Leistungen in Afghanistan und auf dem Balkan „nicht als pure Selbstverständlichkeit kleinreden zu lassen“, wie in den Medien angemerkt wurde. Man könnte durchaus etwas vorweisen, konstatierte Schröder trotzig und ergänzte: die Deutschen brauchten sich nicht zu verstecken. So sah die angebliche „selbstbewußte deutsche Position“ bei den Gesprächen mit Bush also aus. Allzu sicher schien sich Schröder seiner Worte nicht gewesen zu sein, sonst hätte er nicht noch einmal nachgelegt: Allein in Afghanistan leiste man mehr als die meisten anderen Verbündeten – und das trotz immenser Zahlungen in die EU-Kasse und in den Osten des eigenen Landes. Eine Bilanz, die bei dem US-Präsidenten mit Sicherheit einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Bestenfalls noch ein Pfeifen im Walde ist Schröders ständig wiederholte Behauptung, daß es im Irak keine deutschen Kampftruppen geben werde. Nur von theoretischer Natur sei für ihn die Frage, daß bei einem Nato-Einsatz im Irak auch deutsche Allianz-Offiziere gefragt seien, betonte der Kanzler. Diese Frage wird schneller konkret werden, als es Schröder lieb sein dürfte. Auch an einer anderen US-Vision dürfte Berlin kaum Freude haben. Die USA wollen einen durchgreifenden Wandel des Staatengürtels von Nordafrika bis zur arabischen Halbinsel. Die hier anvisierte Befriedung, Modernisierung und Demokratisierung dieses Krisenbogens ist eine Aufgabe, die der Überwindung des Kommunismus ebenbürtig sein dürfte. Daß da auch die Deutschen nicht fehlen sollen, wurde beim Arbeitsbesuch in Washington überdeutlich. Für weiteres Ungemach dürfte der sich abzeichnende Handelsstreit zwischen der EU und den USA sorgen. Die EU will US-Exporteure abstrafen, weil die Regierung in Washington illegale Exporthilfen nicht abgeschafft hat. Für derartige Maßnahmen gab die Welthandelsorganisation (WTO) grünes Licht. EU-Handelskommissar Pascal Lamy machte letzten Freitag klar, daß die Frist zur Abwendung der Millionenzahlungen für die USA abgelaufen sei: „Es gibt jetzt keinen Weg mehr, die Sanktionen zu verhindern.“ Ein Streit, der Bush vor dem Hintergrund des laufenden Wahlkampfes alles andere als recht kommen dürfte. Der US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick mahnte den Kongreß bereits zur Eile: „Die Strafzölle auf US-Exporte sind eine Gefahr für unser Wirtschaftswachstum und könnten die Schaffung neuer Arbeitsplätze verzögern.“ Es könnte durchaus sein, daß das große Gelächter zwischen Bush und Schröder bald wieder „Geschichte“ ist. Der erhoffte Besuch auf der Ranch in Texas, der bislang nur Bushs „treuesten Verbündeten“ in Europa und anderswo vorbehalten war, könnte sich dann schnell auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben.