Für die meisten Medien war es ein „friedlicher“ Sieg der Demokratie – doch nachdenklichere Gemüter sprachen von einem Putsch: zum zweiten Mal innerhalb von 13 Jahren hatten die Georgier einen Präsidenten nicht durch Abwahl, sondern durch den Druck der Straße davongejagt. Wie „gewaltfrei“ es zuging, zeigen jene Bilder, in denen Eduard Schewardnadse fluchtartig seinen Amtssitz verlassen mußte, während Leibwächter seinen Rückzug deckten. Natürlich wird Schewardnadse, dem Verdienste für die Wiedervereinigung Deutschlands zugeschrieben werden, maßlos überschätzt. Der Ex-KGB-Mann, georgische KP-Chef und spätere Sowjetaußenminister gehörte – wie alle politischen Figuren des Kaukasus – zu Machtstrukturen, von denen der Westen wenig weiß. Interessant ist, daß er sich selber sowohl als Opfer russischer wie auch US-amerikanischer Intrigen sieht. Die Amerikaner haben ihn für ihre kaspischen Erdölinteressen ausgebeutet – und fallengelassen, als er nicht mehr nützlich war. Die Russen mißtrauten dem alten Fuchs, der Kontakte bis nach Tschetschenien hatte. Daß er zwischen die Mühlsteine geraten war, zeigte sich am Dienstag beim OSZE-Treffen, auf dem Moskau und Washington erstmals wieder aneinandergerieten und US-Außenminister Colin Powell den Rückzug der Russen aus Georgien forderte. Daß Rußland die Separatisten in Abchasien, Süd-Ossetien und Adscharien unterstützt, ist kein Geheimnis. Der „Sieg der Demokratie“ kann zu neuem Blutvergießen und zum Zerfall des Staates führen. Der Westen handelte nach dem Motto: Operation gelungen, Patient tot.
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