„Die Wandlung Gianfranco Finis zum Demokraten“, so urteilt die „FAZ“, „ist perfekt“: Der Führer der italienischen Nationalen Allianz hat sich mit harschen Worten von seinem einstigen Idol Benito Mussolini distanziert, er ist in Israel empfangen worden und hat sich an die Spitze jener gesetzt, die eine beschleunigte Einbürgerung von Immigranten erreichen wollen. Den stellvertretenden Ministerpräsidenten Italiens trennt nicht mehr viel von seinem deutschen Kollegen, dem Vizekanzler Joschka Fischer – vielleicht wird er ihm ja in der Bewerbung um das Amt eines europäischen Außenministers dereinst noch Konkurrenz machen. Es gibt nicht wenige alte Kämpen in der unterdessen postfaschistischen Partei, die Fini nun eine Abkehr von den ehernen Auffassungen seines Ziehvaters Giorgio Almirante unterstellen – nicht zuletzt ist es dessen Witwe, die die Agitation schürt. Diese Kritik ist allerdings wirklichkeitsblind. Es trifft zwar zu, daß Fini nur noch wenig inspiriert vom Geist von Salò ist, in dessen Tradition sich die Italienische Sozialbewegung MSI fast ein halbes Jahrhundert lang sah. Er orientiert sich statt dessen aber an einer anderen Facette des Faschismus, die gleichermaßen als repräsentativ angesehen kann: an jener Phase vor seiner Bindung an Hitlerdeutschland, in der zahlreiche Vertreter der europäischen liberalen Intelligenz rote Wangen bekamen, wenn sie dieser lautlosen Befriedung sozialer Spannungen unter Wahrung der bestehenden Eigentumsverhältnisse gedachten, und sich der Duce, so wie heute Berlusconi, als ein angesehener Staatsmann auf internationalem Parkett bewegte. Die Verstörung, die Fini hervorruft, resultiert daraus, daß viele so stark an Formen und Mythen einer fernen Vergangenheit gekettet sind, daß sie seine Leistung, den alten Rechtsextremismus zugunsten eines neuen aufgegeben zu haben, schlichtweg übersehen. In Italien konkurrieren in der aktuellen Regierungskoalition drei Spielarten der radikalen Rechten: ein ausländerfeindlicher Mittelstandschauvinismus in Gestalt der Lega Nord, ein auf sozialkonservative und nationaljakobinische Demagogie setzender, autoritärer Pragmatismus – verkörpert durch Fini – sowie ein primitiver libertärer Sozialdarwinismus als Leitmotiv der Forza Italia unter Berlusconi. Die Koalition dürfte die nächsten Wahlen nicht überdauern, die Konkurrenz unter den Partnern jedoch entschieden sein: Auf einen gemeinsamen Nenner könnten sich Berlusconi und sein möglicher Nachfolger Fini verständigen und damit die größte rechtsextreme Wahlbewegung Europas aus der Taufe heben. Diese wird aus dem Verfassungsbogen nicht wegzudiskutieren sein, weil sie die marktwirtschaftliche Ordnung gerade in Zeiten des Umbruchs und der Unsicherheit stabilisiert, ohne irgend jemanden mit hohlen Phrasen vergangener Zeiten zu kompromittieren. Finis Aufwartung in Israel war deshalb auch keine Geste der Demut. Es handelte sich um den Ausdruck moderner rechtsextremer Solidarität.
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