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Kindergärten kostenlos anbieten?

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Nie mehr sind Kinder so wißbegierig und aufnahmebereit, aber auch so abhängig von Schutz und Förderung wie in den ersten sechs Lebensjahren. In dieser Zeit werden weichenstellende neuronale Vernetzungen angelegt. Es finden prägende Erfahrungen statt, gleichermaßen in emotionaler, sozialer und kognitiver Hinsicht. Erkenntnisse aus Neurobiologie, Entwicklungspsychologie und Pädagogik kommen alle zu dem gleichen Ergebnis: in den Jahren vor der Schule werden die Grundlagen gelegt für späteren Erfolg in Schule und Beruf. Eine Gesellschaft, deren Zukunft von der Innovationskraft der nachwachsenden Generation abhängt, tut gut daran, in die frühe Bildung ihrer Kinder zu investieren. Deutschland jedoch steht ausgerechnet in dieser wichtigen Frage auf dem Kopf. Kaum ein anderes Land finanziert so großzügig ein kostenloses Hochschulsystem für erwachsene Studierende. Und kaum ein anderes Land vernachlässigt so sträflich die Förderung seiner Kinder am Beginn der Bildungsbiographie. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wir brauchen ein stärkeres finanzielles Engagement des Staates in der Vorschulerziehung und mehr private Verantwortung im tertiären Bildungsbereich. Kostenpflichtiger Besuch des Kindergartens bei gleichzeitig kostenloser Belegung von Kursen und Seminaren im Zweit- oder Drittstudium? In vielen anderen Ländern kann man darüber nur den Kopf schütteln. Damit kein Mißverständnis entsteht: kostenlose Bildung für alle Kinder im Kindergarten bedeutet nicht Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch öffentliche Einrichtungen. Denn genauso wie gute Bildungseinrichtungen brauchen Kinder liebevolle Eltern, die sich Zeit für ihre Kinder nehmen. Dr. Jörg Maywald ist Soziologe und Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind. Kindergärten müssen etwas kosten; die Beiträge sind nach der Leistungsfähigkeit der Eltern zu staffeln. Ich habe aus eigener Erfahrung gelernt, daß die Eltern, die ihre Kinder in beitragsfreie Kindergärten schicken, das Gefühl entwickeln, was nichts kostet, das taugt nichts und da braucht man sich nicht engagieren. In den frühen Neunzigern, als meine Kinder zum Kindergarten gingen, gab es in Nordrhein-Westfalen noch keine gesetzlich fundierte Kindergartenfinanzierung. Es war in meinem Fall ein kirchlich organisierter Kindergarten. Die Landeskirche gab Richtlinien heraus, wie die Beiträge zu staffeln und die Kindergärten zu finanzieren waren. Am Anfang bezahlten Besserverdiener mehr; Geringverdiener nur einen kleinen Beitrag. Der Kindergarten wurde auch und vor allem durch Eigenengagement der Eltern „in Schuß“ gehalten. Als das Land Nordrhein-Westfalen die Finanzierung per Gesetz regelte, mußte ich erstaunlicherweise weniger bezahlen. Etliche Eltern fielen aus der Beitragszahlung heraus, weil das Land meinte, soziale Kriterien schwerer gewichten zu müssen als die Kirche. Das private Engagement erlahmte: Was die Elterngemeinschaft bis dahin immer selbst regeln konnte – das jährliche Umgraben und Reinigen des Spielsandes, Malern innerhalb der Räumlichkeiten, Anschaffung von Spielzeug etc. – war plötzlich nicht mehr gesellschaftsfähig. Mich hat es geärgert, daß sich Eltern, die augenscheinlich viel Zeit hatten, nicht den geringsten finanziellen Beitrag für den Kindergarten leisteten, komplett aus der Mitverantwortung verabschiedeten. Kindergartenbeiträge sollten deshalb grundsätzlich von allen erhoben und sozial gestaffelt werden; ein kostenloses Angebot wäre eher gefährlich. Es entstünde ein Desinteresse, und die Kinder würden von ihren Eltern wohl kaum noch dazu angehalten, Werthaltiges zu schätzen und verantwortungsvoll mit fremdem Eigentum umzugehen. Alfons Kühn ist Leiter der Abteilung Finanzen und Steuern des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

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