Seit Jahren plädiere ich dafür, daß Europa über eine nukleare Abschreckung verfügt. Eine solche Aufrüstung würde sich weder gegen die Vereinigten Staaten, noch gegen Rußland richten, die beide Atomgiganten sind. Andererseits ist es auch nicht vorstellbar, daß 25 europäische Staaten die Verfügung über dieses letzte Instrument des Krieges ausüben. Wir besitzen bereits auf dem Kontinent eine „Force de dissuasion“, die früher vielgeschmähte französische „force de frappe“. Im Gegensatz zu den britischen Nuklearwaffen ist dieses französische Arsenal (unter anderem U-Boote) von der amerikanischen Technik völlig unabhängig und gegen den Willen Washingtons entwickelt worden. Für den effektiven Einsatz einer solchen ultimativen Waffe käme bestenfalls ein Verbund von zwei Staaten in Frage, was jedoch eine totale strategische Koordinierung zwischen Deutschland und Frankreich voraussetzen würde. Solange eine europäische Nuklear-Abschreckung nicht existiert, bleibt der Kontinent der Erpressung eventueller „Schurkenstaaten“ oder auch krimineller Organisationen oder fanatischen Extremisten ausgesetzt. Im Hinblick auf die voraussehbare Verwicklung der Vereinigten Staaten in eine existentielle ostasiatische Konfrontation, wird man sich nicht immer auf den Schutz der Amerikaner verlassen können, zumal die Interessen zwischen der „neuen“ und der „alten“ Welt neuerdings divergieren. Der Besitz von Nuklearwaffen ist heute zum unentbehrlichen Wahrzeichen staatlicher Souveränität geworden. In einem haben die Vereinigten Staaten recht: die weltweite nukleare Proliferation ist die große Bedrohung der Zukunft, und sie ist nicht aufzuhalten. Peter Scholl-Latour ist Journalist. Er berichtete aus mehreren Kriegen und veröffentlichte zahlreiche Bücher. 1983 bis 1988 war er Herausgeber des „Stern“, zeitweilig dessen Chefredakteur. Einsatzanforderungen und Strukturziele für die Gestaltung der Bundeswehr der Zukunft stehen in krasser Diskrepanz zum Umfang der bereitgestellten Mittel. Streitkräfte mit einer Friedensstärke von 283.000 Soldaten und einer angemessenen materiellen Ausrüstung erfordern die vollständige Bereitstellung der hierfür erforderlichen Mittel und nicht nur eine teilweise Finanzierung. Das oberste politische Ziel heißt: Frieden in Freiheit und Gerechtigkeit. Äußere und innere, nationale und internationale, soziale, wirtschaftliche und ökologische Sicherheit sind nicht voneinander zu trennen. In diesem Sinne muß Sicherheitspolitik darauf zielen, den äußeren Bestand und die innere Ordnung unseres Rechtsstaates so zu bewahren, daß alle Bürger ihre verfassungsmäßigen Rechte gesichert wissen und ihr Leben in Frieden und Freiheit gestalten können. Für die deutsche Sicherheitspolitik bleibt die Nato als Garant von Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum weiterhin das politisch-militärische Fundament. Sie ist dabei offen für andere kollektive Sicherheitssysteme. Der kollektive Charakter der Bündnisverteidigung wird durch multinationale Streitkräfte überzeugend ausgedrückt und demonstriert den Willen zum gemeinsamen Handeln. Die Bildung multinationaler Streitkräfte trägt dazu bei, die Risiken und Lasten gleichmäßig zu verteilen. Sie ermöglicht den beteiligten Staaten, den Umfang ihrer Streitkräfte auf eine erforderliche Größe zu reduzieren. Dabei muß die Strategie einer Kriegsverhinderung glaubwürdig und durchsetzbar berücksichtigt werden. Es ist daher im Bündnis ein ausgewogenes Verhältnis konventioneller und nuklearer Fähigkeiten zur Abschreckung erforderlich. Da diese Ziele noch nicht abschließend erreicht sind, verbietet sich aus unserer Sicht jede nukleare Aufrüstung, besonders in Europa. Jürgen Meinberg ist Chefredakteur des Magazins „Die Bundeswehr“ und Sprecher des Bundeswehr-Verbandes e.V.