Die Sparmaßnahmen der Berliner Landesregierung im Hochschulwesen zeigen Wirkung: Die Humboldt-Universität spielt mit dem Gedanken, im Wintersemester keinen einzigen Studienanfänger aufzunehmen. Die Freie Universität und die Technische Universität der Bundeshauptstadt wollen für alle Fächer einen Numerus Clausus einführen. Von einer gravierenden Neuausrichtung auf die Erfordernisse einer zukunftsorientierten Wissensgesellschaft kann dennoch nicht gesprochen werden, vielmehr von einer beherzten Fortsetzung eines bereits seit längerer Zeit eingeschlagenen Reformkurses: Zwischen 1992 und 2002 wurden in Berlin 43 Prozent des universitären Personals und 30.000 Studienplätze abgebaut. An dieser Leistungsbilanz werden sich die heute politisch Verantwortlichen messen lassen müssen. Man sollte sich jedoch davor hüten, den Umbau der Hochschulen nur als Konsequenz finanzieller Engpässe der öffentlichen Hand zu interpretieren. Dies hieße, die Gestaltungschancen zu verkennen, die sich heute im Gegensatz zu früheren Zeiten bieten. Es geht nicht nur darum, wie zum Beispiel in der Gesundheitsversorgung oder im Rentenwesen, das staatliche Leistungsangebot den ohne weitere Umverteilung zugänglichen finanziellen Ressourcen anzupassen. Auf der Tagesordnung steht vielmehr eine moderne Auffassung von Bildung, auf die Schule und Universität neu zugeschnitten werden müssen. Unsere Gesellschaft leistet sich bis auf den heutigen Tag den Luxus, den akademischen Nachwuchs fernab der Erfordernisse des Marktes heranzubilden. Man folgt dem prämodernen Ideal einer entwickelten Persönlichkeit und verkennt, daß gerade für diese kein Platz in der beruflichen Wirklichkeit ist. Wer die Universität verläßt und eine Stelle in einem Unternehmen findet, macht in der Regel die Erfahrung, daß der größte Teil des erworbenen Wissens außerhalb der Pausengespräche nutzlos ist und die im Studium gewachsenen hochmütigen Ansprüche auf Selbstverwirklichung nicht erfüllt werden können. Die Unzufriedenheit bei den Betroffenen und die hohen Sozialisationskosten, die den Unternehmen auf diese Weise entstehen, wären zu vermeiden, wenn man die Wirtschaft nicht nur in Ausnahmefällen Einfluß auf die Lehrinhalte nehmen ließe und die Studierenden – etwa durch entsprechende, auch Konventionalstrafen beinhaltende Verträge – darauf verpflichten würde, ihre Ausbildung konsequent darauf auszurichten, daß ihre künftigen Arbeitgeber aus ihnen einen möglichst großen Nutzen ziehen können. Vielleicht wird es schon bald möglich sein, das höhere Bildungswesen komplett privat zu organisieren. Vorerst sollte man sich aber mit einer pragmatischen Arbeitsteilung zufriedengeben: Die privaten Universitäten konditionieren Eliten, die öffentlichen sorgen dafür, daß auch das unverzichtbare Mittelmaß in ausreichender Zahl verfügbar ist. Dazu werden letztere aber ihre Rolle anerkennen und den Elfenbeinturm zweckfreier Wissenschaft verlassen müssen.