Begriffe wie „Entbürokratisierung“, „Deregulierung“, „Privatisierung“und „Verwaltungsreform“ bestimmen die öffentliche Diskussion in Deutschland zunehmend und werden angesichts leerer Kassen von Politikern jeder Couleur gern gebraucht. Wie steht es aber um die „Schlankheit“ der Parteien selbst? Haben sie ihre Apparate von bürokratischem Ballast befreit, modernisiert und zu effizienten Organisationen gemacht? Geben sie der verordneten Schlankheitskur des Staates ein glaubwürdiges Vorbild? Der Blick auf die Parteiorganisationen fällt ernüchternd aus. Bundes- und Landesvorstände der Parteien haben einen kaum vorstellbaren Umfang erreicht, ihre Zusammenkünfte kommen kleinen Parteitagen gleich. Eine unübersehbare Vielfalt von Parteivereinigungen und Unterorganisationen hat die Zahl der Parteifunktionäre bis auf die Ortsverbandsebene vervielfacht. Jede dieser Unterorganisationen gründet wiederum Arbeitskreise, so daß die ohnehin bestehende Doppelarbeit zwischen Partei und Fraktion noch weiter ausgedehnt wird. In den etablierten Bundestagsparteien wird inzwischen an mindestens drei Stellen politische Grundsatzarbeit geleistet: in den Parteizentralen, den wissenschaftlichen Stäben der Bundestagsfraktionen und in den politischen Stiftungen. Überall bestehen Referate für sämtliche Politikbereiche, werden Programmentwürfe, Grundsatzpapiere, Leitanträge und Stellungnahmen hin- und hergeschoben. Bei den Vorständen nimmt sich der CDU-Bundesvorstand mit 44 Mitgliedern noch vergleichsweise schlank aus. Der nordrhein-westfälische Landesvorstand zum Beispiel bringt es auf 63 Mitglieder, von denen 39 auf einem Parteitag gewählt wurden. Die übrigen gehören kraft ihres Amtes dazu oder wurden als beratende Mitglieder kooptiert. Im Laufe der Zeit haben sich offenbar immer neue Besitzstände herausgebildet; jede regionale Parteigliederung, jede Vereinigung muß mit einer entsprechenden Zahl von Mitgliedern im Vorstand vertreten sein. Daß eine solche Parteiführung alles andere als „schlank“ und kaum arbeits- und führungsfähig ist, ist offensichtlich. So behilft man sich leidlich mit der Einrichtung eines „geschäftsführenden Vorstandes“, der aus fünf bis zehn Mitgliedern besteht. Fordert die CDU in ihrem Grundsatzpapier „Für einen modernen und leistungsfähigen Staat“ eine deutliche Verkleinerung der Parlamente und Ministerien sowie die Reduzierung der Gremien und Beiräte im staatlichen Bereich, so scheint dies für die Parteiarbeit nicht zu gelten. Bei der Parteireform 1995 spielte dieser Punkt keine Rolle. Die SPD bringt es in ihrem Bundesvorstand auf 45 Mitglieder, hinzu kommt auf Bundesebene eine unübersehbare Vielfalt an Arbeitsgemeinschaften, Projektgruppen, Kommissionen und Beiräten. Der Landesvorstand der SPD in NRW hat 27 Mitglieder, dafür amtieren unterhalb in den drei Bezirksverbänden des Landes noch einmal 80 Vorstandsmitglieder. Die Programmarbeit ist in erheblichem Maße bürokratischen Mechanismen unterworfen. Über fünf Parteiebenen, Orts-,
Kreis-, Bezirks, Landes- und Bundesebene wälzt sich eine Papierflut von dicken Antragspaketen auf die Parteifunktionäre zu. Statt Schwerpunktbildung und gezielter Themenbearbeitung glaubt jede Parteigliederung und jede Vereinigung ein umfassendes Rahmenprogramm beschließen zu müssen, indem detaillierte aber unverbindliche Aussagen über sämtliche Politikbereiche zu finden sind. Neben der Mehrfach-Programmarbeit wird ein weiterer erheblicher Anteil der Parteiarbeit für eine große Zahl von Vorstands- und Gremiensitzungen aufgewandt. Jede Vorstandsebene und jedes Gremium hat es dabei mit eigenen Statuten und Satzungen zu tun, die meist Gegenstand ausführlicher Beratungen sind. Ein großer Teil des Arbeitsaufwandes geht somit als „Eigenverbrauch“ auf das Konto der internen Parteistruktur bevor man zur eigentlichen politischen Arbeit kommt. Vorsitzende der Parteigliederungen hocken auf ihren Posten und durchlaufen die Parteilaufbahn in Beamtenmentalität. Gegenkandidaturen und personelle Erneuerung werden allen gegenteiligen Bekenntnissen zum Trotz nicht gern gesehen. Meist gelingt ein personeller Wechsel erst, wenn der altgediente Vorsitzende nach 30jähriger Tätigkeit in die Seniorenvereinigung weggelobt werden kann. Besonders der Ämter der Kreisvorsitzenden, die fast immer von Bundestags- oder Landtagsabgeordneten belegt sind, werden oft wie Besitzstände auf „Erbpacht“ behandelt. Die Unterorganisationen der Parteien haben ihre Apparate zu einem dichten Netz ausgebaut. Selbst auf Kreisebene werden zum Teil Geschäftsstellen mit eigenen Mitarbeitern unterhalten. In diesen Vereinigungen sind selten neue Mitglieder tätig, meist sind es Multifunktionäre und Pöstchenjäger, die auf vielen verschiedenen Hochzeiten tanzen. Diese Parteibürokratien bringen somit kaum Nutzen für die Parteiarbeit und ihre Finanzierung dürfte angesichts des drastischen Mitgliederschwundes immer schwieriger werden. An Schwerfälligkeit und Ineffizienz dürften die Parteien dem Staat in nichts nachstehen. Parteipolitiker, die den „schlanken Staat“ einfordern, sollten endlich die Gelegenheit wahrnehmen, in ihrem eigenen Haus zu demonstrieren, daß sie zu einer solchen Reform überhaupt fähig sind.