BERLIN. Bundespräsident Joachim Gauck hat den am Montag verstorbenen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Günter Grass gewürdigt. „Günter Grass hat mit seiner Literatur und seiner Kunst die Menschen in unserem Land bewegt, begeistert und zum Nachdenken gebracht“, schrieb Gauck in einem Brief an Grass’ Witwe.
Grass sei zeitlebens ein streitbarer und eigenwilliger politischer Geist geblieben, der Auseinandersetzungen und Kritik nicht gefürchtet, immer wieder pointiert in politische Debatten eingegriffen und sie über Jahrzehnte wesentlich beeinflußt habe, würdigte Gauck. Sein Werk sei „ein beeindruckender Spiegel unseres Landes und ein bleibender Teil seines literarischen und künstlerischen Erbes“.
„Kämpfer für Demokratie und Frieden“
Ehrende Worte kamen auch von SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Die deutsche Sozialdemokratie verliert einen Wegbegleiter, engen Freund und Ratgeber. Mit ihm verlieren wir einen der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsgeschichte und einen engagierten Autor und Kämpfer für Demokratie und Frieden“, teilte Gabriel mit.
Grass sei jahrzehntelang ein „Ratgeber und Wahlkämpfer der Sozialdemokratie“ gewesen und sei zum „Spiritus Rector“ der Verbindung zwischen SPD und Intellektuellen geworden. „Sein literarisches Schaffen hat Weltrang. Damit hat er unser Land verändert, im besten Sinne aufgeklärt. Seine oft streitbaren Einwürfe und Interventionen in verschiedenen Initiativen haben die politische Kultur in Deutschland bunter und reicher gemacht und das Verhältnis von Politik und Kultur gewandelt“, lobte Gabriel.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schrieb in einem Beileidsbrief an Uta Grass zum Tode ihres Mannes: „Mit Günter Grass verlieren wir nicht nur einen der bedeutendsten Literaten deutscher Sprache, sondern auch einen engagierten Staatsbürger, der immer wieder öffentlich Stellung bezogen hat.“
Instanz, die „manchmal auch verstörte“
Grass habe keine noch so heftige Kontroverse gescheut, sondern sie gesucht, wo er sie für notwendig erachtet habe. „Das machte ihn zu einer Instanz in der politischen Debatte, die zuweilen störte und manchmal auch verstörte.“
Grass war am Montag im Alter von 87 Jahren in einer Lübecker Klinik gestorben. Zu seinen bekanntesten Werke gehört „Die Blechtrommel“ von 1959, das sich millionenfach verkaufte. 1999 erhielt Grass den Literaturnobelpreis.
Grass hatte die Deutschen stets aufgefordert, sich mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit auseinanderzusetzen und sich unter anderem dadurch den Ruf einer moralischen Instanz erworben. 2006 sorgte er allerdings für Schlagzeilen, als er enthüllte, daß er in den letzten Kriegsmonaten der Waffen-SS angehört hatte. (krk)