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„Terror-Anwälte“ und geistiger Mief

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Wenn manche Medien einen Vergleich zwischen dem Prozeß gegen den sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ und dem Stammheim-Prozeß ziehen, so hinkt dieser Vergleich natürlich aus verschiedenen Gründen. Allerdings ist es interessant,  welche Erkenntnisse sich aufdrängen, wenn man das politische Klima von damals und heute miteinander vergleicht.

„Die Anwälte – eine deutsche Geschichte“ lautet eine arte-Dokumentation über Hans-Christian Ströbele, Otto Schily und Horst Mahler, die ich mir kürzlich noch einmal auf Youtube ansah. Darin geht es unter anderem um den Stammheim-Prozeß gegen die RAF, in welchem Ströbele und Schily als Verteidiger und Mahler als Angeklagter auftraten. Natürlich betreibt der Film die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk übliche Verherrlichung der RAF. Zugleich ist allerdings das Klima der Hysterie und der Vorverurteilung, das im Film teilweise angedeutet wird, sicher nicht von der Hand zu weisen und mag einiges zur Radikalisierung mancher labiler Personen beigetragen haben.

Ströbele sah damals die Errichtung des zwölf Millionen Mark teuren Prozeßgebäudes als eine „in Beton gegossene Vorverurteilung“. Wobei der Stammheim-Richter Kurt Breucker im Interview mit der Stuttgarter Zeitung anmerkt, daß das Gebäude keineswegs nur für den RAF-Prozeß errichtet worden sei, sondern „für Prozesse dieser Art“. Wobei sich allerdings vor allem die Frage stellt: Vorverurteilung – kommt uns das nicht irgendwie aus dem NSU-Prozeß bekannt vor? Die Anwältin von Beate Zschäpe, Anja Sturm, beklagte genau dies und forderte daher die Einstellung des Verfahrens. Vertreter der Bundesanwaltschaft, Politiker und Medien hätten Zschäpe mehrfach als „Mitglied einer Mörderbande“ bezeichnet, ohne zu erwähnen, daß es sich bisher nur um einen Tatverdacht handle. Wiederholt sich die Geschichte?

Huch? Kommt uns das nicht bekannt vor?

Hans-Heinz Heldmann, der Verteidiger von Andreas Baader, beklagte sich einst über die Schlußplädoyers der Bundesanwälte: „In ihnen hat sich der Vernichtungswillen artikuliert. Der Eifer, moralisch zu vernichten, die Angeklagten zu entmenschlichen, sie zu verteufeln, Haß, Abscheu, Verachtung auf sie zu verwenden.“ Huch? Kommt uns das nicht ebenfalls aus dem NSU-Prozeß bekannt vor, wenn man einige Medienberichte betrachtet? Geschichte wiederholt sich. Und das nicht nur bei diesen Punkten.

Den jungen Schily hört man in der arte-Dokumentation klagen: „Verständnis wird uns untersagt. Verständnis soll der Öffentlichkeit untersagt werden. Denkverbote werden errichtet.“ Hoppla! Die gibt es heute ja zum Glück nicht mehr. Jetzt, wo die drei Sozialisten das Land endlich vom rechten Mief befreit haben. Es gibt auch keine Denkverbote in bezug auf die Frage, wie es zu Rechtsterrorismus und -extremismus und dem NSU kommt.

Weiter beschwert sich Hans-Christian Ströbele in der Reportage, daß nach seinem Einzug in den Bundestag für die Grünen 1985 „die Hetze weiter“ gegangen sei: „In meinen ersten Reden im Bundestag mußte ich mir aus den Reihen der Union anhören: ‘Der Terroristen-Anwalt, der Terrorist. Was will der hier?’“ Ströbeles Kollege Schily schlägt in die gleiche Kerbe: „Der RAF-Anwalt. Was heißt’n das? RAF-Anwalt, das ist natürlich kompletter Unsinn. (…) Oder Terroristen-Anwalt: Was heißt denn das? Ich bin nicht Terroristen-Anwalt. Ich war der Anwalt von einer bestimmten Person, hab die verteidigt. Es ist ja auch, wenn irgendein Kollege in einem Mordprozeß verteidigt, ist er kein Mörder-Anwalt.“ Wenn jemand, so Schily weiter, Graf Lambsdorff verteidige, sei er deshalb schließlich auch „kein Steuerhinterzieher-Anwalt“: „Es ist das gute Recht des Grafen Lambsdorff, verteidigt zu werden, und das gute Recht des Anwalts – da muß man ihn nicht so etikettieren.“ Ununterbrochen schwingt so der Vorwurf durch die ganze Dokumentation: Schaut her, so garstig waren das System und die Meinungshegemonie damals zu den geknechteten und entrechteten Linken.

Warum Broder damals links wurde

Wobei ich der Argumentation von Schily und Ströbele an diesem Punkt ja durchaus folgen kann – die Empörung über diese Etikettierungen und Vorwürfe ist verständlich. Aber wie sieht es denn heute aus, wo wir von den Achtundsechzigern ja endlich von geistiger Enge und Mief befreit wurden? Anja Sturm wird nicht nur ebenfalls als „NSU-Anwältin“ betitelt, sondern sie mußte ihre Kanzlei und ihre Heimatstadt Berlin verlassen und nach Köln ziehen, weil es Unmut darüber gab, daß sie das Mandat annahm. Vergeblich bewarb sie sich kürzlich für den Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger. Es gehöre sich nicht, Neonazis zu verteidigen, hatten „einige Mitglieder der linksliberal ausgerichteten Vereinigung argumentiert und sogar mit Austritt gedroht“, berichtet die Welt. Sturms Auffassung, wonach jedem Angeklagten, „ob mutmaßlicher Kinderschänder oder Neonazi“, eine bestmögliche Verteidigung im Rechtsstaat zustehe, „wollten viele gestandene Anwälte nicht folgen“, berichtet das Blatt.

Es ist schon erstaunlich, wie sich die Geschichte wiederholt, ohne daß es den in der arte-Dokumentation jammernden Anwälten aber auffallen dürfte. Das politische und gesellschaftliche Klima hat sich gedreht, aus der Linksextremismus-Hysterie wurde die Rechtsextremismus-Hysterie. Aber das Klima des Denunziantentums, der Vorverurteilung und Hysterie, der Sippenhaft und des Gesinnungsterrors ist geblieben, vielleicht sogar eher schlimmer geworden. Wieder hagelt es Berufsverbote, wieder werden „geistige Brandstifter“ ausfindig gemacht, so daß in diffamierenden Medienberichten Konservative für mutmaßliche NSU-Morde verantwortlich gemacht werden. Früher reichten lange Haare, um des Terrorismus oder der Staatsfeindlichkeit „verdächtigt“ zu werden, heute genügen eine Fußballflagge oder die Studentenverbindungs-Mütze. Nun fehlt nur noch, daß Anja Sturm eines Tages für die Alternative für Deutschland in den Bundestag einzieht und dann womöglich von Ströbeles Fraktionsgenossen als „Terroranwältin“ betitelt wird. Wundern würde es nicht.

Übrigens äußert sich Henryk M. Broder im Buch „Die vierte Gewalt“ über die Frage, warum er zu Beginn der siebziger Jahre links gewesen sei: „Also, wer damals in Deutschland aufwuchs und zur Schule ging, und wer einen Hauch von politischem Bewußtsein hatte, der konnte gar nicht anders als links sein.“ Damals sei nämlich „alles völlig vermufft“ gewesen, auch nach dem Tode von Adenauer. Aha, ah ja, so so, verstehe… Nun, dann ist ja klar, was man heute mit politischem Bewußtsein zwangsläufig nur sein kann…

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