Das Engagement von Bürgern für das geschichtliche Erbe ihrer Stadt sollte eigentlich nicht hoch genug geschätzt werden. Schließlich leben wir in Zeiten, die oft liederlich mit dem eigenen Stadtbild umgehen. Klagen über den „Zwang zur Innovation“, über teils bedenkliche Flächenabrisse und zweifelhafte stadtplanerische Projekte hört man ganz aktuell beispielsweise aus Hamburg, Stuttgart oder Duisburg. Und auch in München wird darüber debattiert, was getan werden kann, „damit München München bleibt“.
Gerade in Zeiten, in denen Kommunen über klamme Kassen jammern, sollte man Menschen danken, die sich um die Pflege von städtischen Grünanlagen bemühen, um den Erhalt historischer Bauten, die Mehrung der Kunst im öffentlichen Raum. Menschen wie der heute 90jährige Hardt-Waltherr Hämer, der Ende der 1970er Jahre große Teile der Gründerzeitbebauung von Berlin-Kreuzberg vor der Planierrampe bewahrte und so zum „Retter von Kreuzberg“ wurde.
Doch nicht nur im Bereich der Bevölkerungs- und Währungspolitik ist das Mißtrauen der herrschenden Eliten gegen alternative Meinungen in der Bürgerschaft groß. Auch im Bereich der Kunst und Stadtplanung tun sich oft an ganz unerwarteter Stelle ideologische Grabenkämpfe auf, wo eigentlich keine sein sollten. Beispielsweise fiel das beschauliche Oldenburg in letzter Zeit nicht immer durch allzu positive Meldungen auf. 2010 wurde das große Kriegerdenkmal der Stadt geschändet. 2011 konnte das äußerlich ausgesprochen häßliche Einkaufszentrum „Schloßhöfe“ in der Innenstadt seine Pforten öffnen. Die städtischen Verantwortlichen fanden offenbar nichts Anrüchiges dabei, den bunkerartigen Betonkasten direkt zwischen das historische Schloß und den Marktplatz zu setzen.
Bürger kämpfen gegen den Widerstand modernistischer Bau-Eliten
Nun sollte man meinen, daß angesichts solcher Eskapaden der Stadtbildverschönerung ein regulativer Ehrenplatz zugewiesen werden sollte. Doch in Oldenburg scheint dem nicht so. Eine Bürgerinitiative setzt sich dafür ein, daß auf dem Schloßplatz, also zwischen dem Schloß und jenem Einkaufszentrum der ehemalige Regent der Stadt, Graf Anton Günther, als Reiterstandbild aufgestellt wird. Das Bronzedenkmal wurde auf Initiative zweier Bürger als plastische Umsetzung eines alten Bildes hergestellt und soll der Stadt geschenkt werden. Graf Anton Günther wird eine allgemein weise Regentschaft bescheinigt, zudem – so einer der Initiatoren – sei das Gebiet ein Pferdezuchtland, was sich somit ebenfalls symbolisiere.
Doch sofort erhob der derzeitige „Schloßherr“, der Direktor des Landesmuseums Rainer Stamm, Einspruch. Es handele sich um die „mißverstandene Umsetzung eines historischen Stiches“, und das habe mit einer „künstlerischen Formfindung eigentlich nichts zu tun“, verlautbarte er. Aus welcher Vorschrift zur korrekten „künstlerischen Formfindung“ er diese Behauptungen zu Kunst und „Unkunst“ entnommen hat, gab er indes nicht bekannt. Er dürfte auch mit einer sachlichen Begründung seiner Abneigung größte Probleme haben. Und auch ein paar offenbar alt-linke „Ewiggestrige“ mußten sich nun mit 400 Jahren Verspätung als posthume Vorkämpfer gegen den „Feudalismus“ darstellen und frotzelten bei einer öffentlichen Präsentation des Projekts ein wenig altklug herum.
Es ist bei Oldenburgs Grafen wie hierzulande bei den vielen kleinen Rekonstruktionsprojekten im Bausektor. Stets erwachsen die Ideen aus der Bürgerschaft, weil bei den kommunal Verantwortlichen oft nur geringe Sensibilität für die städtische Geschichte und das Bauerbe vorherrscht. Diese Bürger haben daraufhin mit massiven Widerständen der modernistischen Kultur- und Bau-Eliten zu kämpfen, eventuell noch mit ein paar versprengten linken Wirrköpfen. Dann erst ist Durchhaltevermögen und Engagement gefragt, bis sich unter den städtischen Politikern die Einsicht durchsetzt, daß Volkes Wille und Geschmack oft nachhaltigere Ergebnisse hervorbringt als so manche modernistische Zeitgeist-Einflüsterung.