Die Umwandlung der Bundeswehr zur Berufsarmee läßt sich weiter mühsam an: 28 Prozent der ohnehin zu wenigen Freiwilligen schmeißen gleich wieder hin oder werden wegen körperlicher Nichteignung aussortiert. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière, der vor einem Vierteljahr noch von der hohen Abbrecherquote „genervt“ war, hat schon wieder auf Schönrede-Modus umgestellt: Die Zahl der Frühausscheider sei zwar hoch, entspreche aber „den Erfahrungen der privaten Wirtschaft, wo die Quote der Jobabbrecher zwischen 20 und 25 Prozent liege“.
Wo er die Zahl wohl herhat? Bei den Rechtsanwälten, wo besonders viele Berufsanfänger nach dem mühseligen Start wieder aufgeben, ist die Abbrecherquote nach Angaben der Bundesrechtsanwaltskammer nur gut halb so hoch.
Wundern muß die miserable Bilanz der Freiwilligenrekrutierung allerdings nicht. Ein bedeutender Vorteil der Wehrpflichtarmee ist, daß sie Nachwuchs aus allen Schichten des Volkes gewinnen kann. Die Wehrpflicht stellt das Rekrutierungspotential für länger dienende Zeit- und Berufssoldaten auf einen maximal breiten Sockel: So mancher, der nur widerstrebend „zum Bund“ ging oder den Verweigerungsantrag verschusselt hatte, hat durch die Teilnahme am realen Soldatenalltag seine Vorurteile revidiert und ist zum eifrigen und fähigen Offizier oder Feldwebel geworden. Dieses Nachwuchsreservoir fällt jetzt weg.
Auf dem Weg in die Söldner- und Unterschichtenarmee
Zur Armee geht künftig nur noch, wer unbedingt hinwill. Nach Jahrzehnten der opportunistischen Geringschätzung des Militärischen und seiner Traditionen wird die Auswahl bescheiden sein. Der zeitgeistgeübte Abiturient und verhinderte Zivi, der sich in die Kaserne verirrt, ist der erste, der auch wieder geht.
Für die Auffüllung der Mannschaften verspricht die Anwerbung bei Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen mehr Erfolg. Das hatte schon der freiheitliche Luftikus erkannt, der das Ganze handstreichartig angezettelt hat, und wollte gezielt um Schulabbrecher und Ausländer auch ohne deutschen Paß werben. Die Berufsarmee als Söldner- und Unterschichtsarmee – das entspricht den Erfahrungen der meisten Staaten, die die Wehrpflicht abgeschafft haben. Besser wird das Niveau der Truppe dadurch nicht, und billiger kommt sie übrigens auch nicht.
Die Abkoppelung des Soldaten vom Volk durch Aufgabe des Wehrdienstes läßt die Hemmschwellen sinken. Zu militärisch soll die neue Bundeswehr dann allerdings auch wieder nicht sein. Schießen im Werbevideo, das geht zum Beispiel gar nicht. Aber ob Bilder vom Brunnenbohren die potentiellen Zielgruppen eher anlocken? Wer will unter die Soldaten, der muß haben ein Gewehr.
Wofür soll die Truppe kämpfen?
Die Nervosität ist verständlich. Man hat nicht zu Ende gedacht, was man da begonnen hat: Die Wehrpflichtarmee zur Landesverteidigung wird – nebenbei bemerkt gegen den Buchstaben des Grundgesetzes – abgeschafft und durch eine kleine Truppe vornehmlich für internationale Operationen ersetzt. Der Einsatzalltag wird diese Armee dominieren und noch schneller verändern, als das bereits bei der bisherigen Wehrpflichtarmee der Fall war.
Egal, wie hoch die Abbrecherquoten sind: Aus denen, die bleiben, entsteht ein an Tod und Lebensgefahr gewöhntes Soldatenkorps, das sinnfreien Politikerphrasen mit zunehmender Verachtung begegnen wird. Fragt sich nur, wofür diese Truppe dann kämpfen soll.