„So hoch liegt bei uns der Dreck im Keller!“, rief der Büttenredner Karl Küpper mitten im Karneval der braunen Zeit der dreißiger Jahre – um dann die Höhe des Drecks mit erhobenem und ausgestreckten rechten Arm anzuzeigen. Natürlich war es nicht ohne Risiko, das Regime ausgerechnet mit einer Hitlergrußparodie durch den Kakau zu ziehen, aber so sind und waren sie eben, die Jecken in Köln und anderswo.
Ebenso „natürlich“ reicht das der spätgeborenen Kritik heutzutage nicht, und so sind nun neuerdings auch die Karnevalisten unter dem Seziermesser der ganz gewöhnlichen Zeitgeschichtsforschung – wegen Verstrickung. Schließlich haben sie allenfalls geredet und dabei manch politischen Witz gerissen, der bei aller Subversion doch nur als Blitzableiter funktioniert hat und sich nicht zum „Widerstand“ auswuchs.
Aus Konventionen ausbrechen
Kollege Carl Dietmar wirft dies dem Karneval im Dritten Reich vor und greift dabei im Interview erstaunlicherweise zum ganz großen Hammer der umfassenden Relativierung: „Der Kölner Karneval ist seit 1848 kein politischer mehr. Die Jecken machten es allen Obrigkeiten recht: dem Kaiser und seinen Getreuen, den Nazis und später nach dem Weltkrieg allen Oberbürgermeistern – bis heute.“
Dies ist gut beobachtet. Allerdings, so möchte man meinen, ist eben dies die Funktion von Karneval auch schon 1848 und davor gewesen. Er sorgt dafür, für ein paar Tage aus Konventionen auszubrechen und im Vorübergehen die unvermeidlich-zeitlose Landplage von Herrschaftsritualen ein wenig abzuschütteln, ohne ihre Urheber gleich mit blankem Zierdegen aus dem Amt jagen zu wollen.
In diesem Sinn ist allen ein fröhlich-jeckes Wochenende zu wünschen, die diesen Teil der „Kunst, regiert zu werden“, zu schätzen wissen. Aber passen Sie auf, mit welchem Arm Sie messen, wie hoch der Dreck heute steht.