Die Dame an der Gegensprechanlage hat längst resigniert. Ein tiefer Seufzer ist von ihr zu vernehmen. „Ich kann da doch nichts ausrichten“, sagt sie niedergeschlagen. Einst hatte sie gekämpft, hatte als Anwohnerin versucht, ein türkisch-islamisches Zentrum am Gotzinger Platz in München-Sendling zu verhindern.
Viele hatten dafür bereits grünes Licht gegeben. Die Stadtverwaltung, die Stadtratsfraktionen, die sich bis auf die CSU für eine Moschee am Gotzinger Platz ausgesprochen hatten. Und der Pfarrer der gegenüber gelegenen St. Korbinian-Kirche. Warum auf dem Grundstück heute Autos parken und keine Moschee samt Minarett in den Himmel ragt, hat nur einen simplen Grund: Geld.
Das Türkisch-Islamische Gemeindezentrum (Ditim) hatte nicht die nötigen Mittel auftreiben können, um das Grundstück von der Stadt zu erwerben. Das war im vorigen Jahr. Jetzt wird ein neuer Anlauf gestartet. Größer. Zentraler. Und im Hintergrund sollen diesmal potente Geldgeber aus dem Golf-Emirat Sharjah stehen, in der die Scharia geltendes Recht ist.
„Wir wehren uns mit Händen und Füßen dagegen“
Schon seit Mitte der neunziger Jahre plant der Imam Benjamin Idriz den Bau eines „Zentrums für Islam in Europa“ (ZIEM) im Herzen der bayerischen Landeshauptstadt. Seit einigen Wochen kocht die Münchner Gerüchteküche. Hieß es zunächst, daß Zentrum solle in der Nähe des südlichen Olympiaparks entstehen, so scheint nun ein städtisches Areal in der Herzog-Wilhelm-Straße als favorisierter Standort zu gelten. Damit würde das ZIEM direkt am Karlsplatz, dem Stachus, gebaut werden, einem der zentralsten Punkte Münchens.
Neben einer großen Moschee samt Minarett, islamischem Gemeindezentrum, Bibliothek und islamischem Museum soll das ZIEM auch eine Akademie für angehende Imame beinhalten. Angeblich sollen die künftigen muslimischen Seelsorger dort einen liberalen, europäischen Islam vermittelt bekommen. Doch unter Münchens Bürgern mehren sich die skeptischen Stimmen. „Wir wehren uns mit Händen und Füßen dagegen“, sagt eine entschiedene Gegnerin des Projekts. Unterschriftenlisten zur Ablehnung des ZIEM kursieren in der Isar-Metropole, Wut- und Protestbriefe werden an die Münchner Stadtverwaltung geschickt.
„Wir haben schon 100 Gebetsstätten“
Der Grund: ZIEM-Initiator Idriz und seine Gemeinde in der 50 Kilometer südlich von München gelegenen Kleinstadt Penzberg. Die Islamische Gemeinde Penzberg (IGP) war 1993 mit Hilfe der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) gegründet worden, der Verbindungen zum Islamismus nachgesagt werden und die unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Auch Idriz war eigenen Aussagen zufolge bis 2006 Mitglied bei Milli Görüs.
Seine IGP steht ebenfalls unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das Münchner Verwaltungsgericht hatte im vergangenen Jahr zudem Islamismus-Bestrebungen bei der IGP festgestellt. Islamkritiker fürchten schon lange, daß das ZIEM einzig und allein dem Zweck einer Islamisierung Europas diene. Doch während der Unmut über das Projekt wächst, scheint sich die örtliche Politik trotz der Erkenntnisse von Verwaltungsgericht und Verfassungsschutz weniger daran zu stören. Fraktionsübergreifend stehe man einem europäischen Islamzentrum nach wie vor positiv gegenüber, ist von Mitgliedern des Stadtrats zu vernehmen. Unter den ZIEM-Gegnern wird bereits gemutmaßt, daß Politiker bestochen wurden, um das Projekt durchzusetzen.
„Wir haben schon jetzt über 100 muslimische Gebetsstätten in München“, sagt eine ZIEM-Gegnerin. Und auch am Gotzinger Platz könnte entgegen offiziellen Verlautbarungen das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Denn eine Rückübertragung des Grundstücks auf die Stadt soll es bisher nicht gegeben haben. Die Anwohnerin an der Gegensprechanlage wirkt zermürbt, möchte über das Thema nicht mehr sprechen. „Ich kann da doch nichts ausrichten“, wiederholt sie nur.
JF 9/11