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Wahlumfrage: Die grüne Blase

Wahlumfrage: Die grüne Blase

Wahlumfrage: Die grüne Blase

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Wahlumfrage
 

Die grüne Blase

Die Grünen und zu Guttenberg haben eines gemeinsam: Ihre Höhenflüge in der angeblichen oder tatsächlichen Wählergunst sind auch das Ergebnis medialer Überhitzungen. Das ist im Fall des Bundesverteidigungsministers erträglich, solange er nachprüfbar ordentliche Regierungsarbeit leistet. Bei den Grünen ist das nur partiell möglich.
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Windräder in der Landschaft: Höhenflug der Grünen eine Luftnummer? Foto: Pixelio/Hans-Christian Hein

Die Grünen und zu Guttenberg haben eines gemeinsam: Ihre Höhenflüge in der angeblichen oder tatsächlichen Wählergunst sind auch das Ergebnis medialer Überhitzungen. Das ist im Fall des Bundesverteidigungsministers erträglich, solange er nachprüfbar ordentliche Regierungsarbeit leistet. Bei den Grünen ist das nur partiell möglich, nämlich in Hamburg, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen sowie höchstens noch in einigen Kommunen. Dort verhandeln und entscheiden sie aber in Hinterzimmern, weitgehend abgeschottet von der Öffentlichkeit.

Ansonsten sieht man sie vorwiegend auf der Straße und dort in der ersten Reihe der Demonstrationszüge. Sei es in Stuttgart, sei es im Wendland. Bar jeder Verantwortung verhalten sie sich pubertär bis rebellisch. Sie sind dagegen. Das wiederum ist medienkonform. Und so bedienen sie mediale Reflexe und Mechanismen, was ihre Medienpräsenz garantiert, mithin ihre Bekanntheit und Popularität steigert. Aber das ist die Luft einer medialen Blase – die Blase der Grünen.

Grüne sind bei Journalisten am beliebtesten 

Man könnte sich freilich fragen, warum der Unterschied zwischen der Realität und dem Verhalten der Medien nicht durchschaut wird. Das liegt nicht nur daran, daß die Führung der Grünen die medialen Reflexe bestens bedient. Es liegt auch an der Parteineigung vieler Journalisten. Die Universität Hamburg hatte vor einiger Zeit die parteipolitische Neigung und Zugehörigkeit von Journalisten untersucht.

Die Grünen schnitten am besten ab, sie holten sich 34 Prozent vom Kuchen, die SPD 28; und der Part, der eigentlich bei dieser Zunft am größten sein sollte, eine neutrale Haltung gegenüber den Parteien nämlich, machte nur knapp 20 Prozent aus. Die Partei Merkels erhielt 8,9 Prozent und die christsoziale Partei des im Volk populären Ministers zu Guttenberg sogar keine relevanten Werte. Mit anderen Worten: Das Herz des deutschen Journalismus schlägt rot-grün.

Ohne Verantwortung läßt es sich gut protestieren

Wenn man jetzt noch ins Kalkül zieht, daß bei den Umfragen zum Wahlverhalten die Nichtwähler nicht erfaßt werden und diese Gruppe nicht nur wächst, sondern ihr Zuwachs vor allem aus früheren Unions- und FDP-Kreisen schöpft, dann ergeben sich bei der Sonntagsfrage eben verzerrte Zahlen, die von vielen Medien wiederum für bare Münze genommen und begeistert transportiert und kommentiert werden. Da wird auch viel heiße Luft umgeschlagen – für die Blase der Grünen.

Einige Politiker im Lager der Bürgerlichen haben die Blase erkannt. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) spricht in diesem Sinn von der „Narrenfreiheit“, die die Grünen genießen. Sie mobilisierten „die Straße, weil sie in den Parlamenten keine Mehrheiten haben“ und würfen dabei jede Überzeugung über Bord, wenn es nur der aktuell gerade gelegenen Blockade diene. Besonders eindrucksvoll bedienen die Spitzenleute Claudia Roth, Renate Künast und Jürgen Trittin diese Klaviatur.

Parteichef Cem Özdemir dagegen verhält sich auch angesichts von Umfragewerten jenseits der Zwanzig-Prozent-Marke besonnener und warnt seine Partei auch vor Übermut und Selbstüberschätzung. Ihm dürfte klar sein, daß die Grünen mit dem Wahlkampf in Berlin in ein Fahrwasser kommen, das zum Teil eben nur noch eine Fahrrinne zur Macht kennt. Mit einem ihrer Konkurrenten, Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), verbindet sie das gemeinsame Interesse, in der Gesellschaftspolitik die letzten Bastionen der Bürgerlichen zu schleifen: Ehe und Familie. >>

Ein Durchbruch ist ihnen dabei längst gelungen. Mit der Wahl der Berliner Jura-Professorin Susanne Baer in den ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts dürfte auch die oberste deutsche Rechtsprechungsinstanz weitgehend neutralisiert werden, wenn es um den Vorrang der Ehe geht, mithin eine Lebensform, die den Linken und Grünen schon immer suspekt war. Ohnehin hat das Bundesverfassungsgericht schon im letzten Jahr diesen Vorrang beim Urteil zum Unterhaltsrecht deutlich relativiert.

Mit Baer, die von den Grünen vorgeschlagen worden war und die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, dürften auch die letzten Vorteile für die Ehe abgeschafft sowie Familie neu definiert werden und zum Beispiel auch das Adoptionsrecht für Gleichgeschlechtliche in Karlsruhe gute Chancen haben. Jedenfalls will Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bald einen Gesetzentwurf dazu einbringen.

Sektenideologie unwidersprochen in der politischen Mitte

Das beweist, daß anders als im Falle von strittigen Infrastruktur- oder Industrieprojekten das „bürgerliche Lager“ hier überhaupt nichts mehr entgegensetzt: Was vor einem Vierteljahrhundert gesellschaftspolitisch noch ideologischer Kernbestand eines Biotops alternativer Außenseiter im politischen Sektenformat war, ist heute unwidersprochen in der politischen Mitte der Berliner Republik verankert.

Daraus ist nicht den Protagonisten dieser erfolgreichen Bewegung ein Strick zu drehen; man muß das Versagen derer anprangern, die dies achselzuckend zugelassen haben und sich jetzt wundern, daß das Original besser ankommt als schlechte Kopien. Hier ist keine grüne Blase mehr, hier hat man es schon mit grüner Realität zu tun. Dies war übrigens bereits in der Mißbrauchsdebatte zu spüren, als große Teile der Medien auf den Kirchen herumhackten, während die Grünen geschont wurden, obwohl ein Blick in die Archive manche Perversitäten zum Vorschein bringt.

Heute ist die Truppe bunt und programmatisch ein Allerlei, das auch Bürgerlichen hier und da gefällt – weil eben auch viel Bürgerliches dabei ist. Was fehlt, ist ein kohärentes Menschenbild. Gutmenschentum oder „Alles ist möglich“ reicht nicht als programmatische Grundlage. Da haben mittlerweile auch andere Parteien ihre Sorgen. Aber wenigstens kommen die nicht ganz so aufgeblasen daher. 

(JF 47/10)

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