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Multikulti pur

Multikulti pur

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Multikulti pur

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Das Aroma indischer Gewürze vermischt sich mit dem Geruch von Abgas. Vor mir im überfüllten Bus sitzt ein Mann mit Kippa und langen Schläfenlocken. Aus dem Fenster sehe ich wie eine Frau auf der stürmischen Straße mit ihrer schwarzen Burka kämpft: Ständig bläst der Wind ihr das Gewand hoch oder entblößt ihr Gesicht. Sie sieht verzweifelt aus.

Das Straßenbild ist farbenreich – und damit meine ich nicht die netten bunten Blumenkästen an den Fensterbänken, die Leuchtreklame oder die traditionellen roten Doppeldeckerbusse. Nein: London ist multikulti pur.

Auf dem Weg nach Hause nehmen wir eine Abkürzung durch einen verrufenen Häuserblock. An einer Ecke stehen Blumen und ein Bild eines jungen schwarzen Mannes, der erst vor wenigen Tagen an dieser Stelle erstochen wurde. Ich laufe automatisch schneller. Meine Freundin meint lakonisch, daß ich nicht zu rennen bräuchte. Momentan wäre es kein Problem hier durchzulaufen. Schließlich würde es ja gerade regnen. Obwohl ich ebenfalls in einer Großstadt lebe, die Logik dieser Stadt verstehe ich nicht.

Schließlich ist es kein Sabbat

Und es gibt vieles, was ich in London nicht verstehe. Das fing schon an, als ich dort vor einem Vierteljahrhundert eingeschult wurde: Ich spielte monatelang mit Kindern, die einen Dutt trugen, bis mir eröffnet wurde, daß diese keine Mädchen, sondern Sikh-Jungen waren. Irritiert suchte ich mir neue Freundinnen.

Heute staune ich über andere Dinge. Beispielsweise darüber, wie nur ein paar Straßen weiter von der Mordstelle die Welt wieder in Ordnung sein kann: Der Stadtteil Stamford Hill gilt als äußerst sicher, als „Viertel der Pietät“. Und zwar weil es eine der größten jüdisch-orthodoxen Gemeinden in Europa ist. Hier gibt es so gut wie keine Kriminalität.

Jammern auf hohem Niveau

Es ist Sonntag, aber die Läden hier haben geöffnet. Schließlich ist kein Sabbat. Doch das ist nicht nur in Stamford Hill so. In England gibt es keine so strengen Ladenschlußzeiten wie in Deutschland. Sogar auf Baustellen wird gearbeitet, als ob es ein ganz normaler Werktag wäre. Mit so vielen verschiedenen Religionen und Kulturen wäre es nach Meinung vieler Londoner anmaßend vorzugeben, welcher Tag nun der heiligste ist. Für einen großen Teil der nicht-christlichen Immigranten ist der Sonntag sowieso bedeutungslos.

Zurück in Berlin: Klar gibt es auch in Deutschland Kriminalität, Werteverfall und Einwanderungsprobleme. Und auch hier fehlt es an einer starken Leitkultur. Doch der Vergleich mit London zeigt, daß es uns hier noch verhältnismäßig gut geht. Die Frage lautet allerdings, wie lange noch? Und vergleiche ich Deutschland mit Finnland, so sieht die Sache schon wieder ganz anders aus.

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