Mit dem Verzicht auf außenpolitische Souveränität gemäß dem Lissabonner Vertrag ist auch ein weiteres Zurückdrängen der deutschen Sprache verbunden. Denn diese soll bei der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) keine Rolle spielen. Diesen Willen hat die neue EU-Außenministerin Catherine Ashton bekräftigt. (Ihr genauer Titel lautet übrigens: „Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik“. Diese möglicherweise absichtlich umständlichen Titel und Bezeichnungen sind auch ein Grund dafür, warum die EU den Bürgern fremd bleibt.)
Über Guido Westerwelles Vorschlag, gründliche Deutschkenntnisse als Einstellungsvoraussetzung für EAD-Mitarbeiter zu verlangen, hat man sich im Umfeld der EU-Außenministerin wohl eher belustigt. Englisch und Französisch werden die prägenden Sprachen der EU-Diplomatie sein. In Ashtons Entwurf für den Aufbau des EAD steht zwar nichts über Sprachen. Doch genau das ist das Problem: Der Verzicht auf eine Sprachenregelung bedeutet eine Fortführung des bisherigen Gebrauchs der GASP (Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik), nämlich eine weitere Bevorzugung von Englisch und Französisch.
Deutsch als dritte Arbeitssprache
Dabei haben sich in den vergangenen Wochen nicht nur die Europaminister der Länder, sondern auch der deutsche und diesmal sogar der österreichische Außenminister für die deutsche Sprache stark gemacht. Wolfgang Reinhart, der Vorsitzende der Europaminister und Sprachenbeauftragte der deutschen Bundesländer, meinte: „Es ist nicht einzusehen, daß Deutsch immer noch benachteiligt wird, obwohl nahezu 100 Millionen Menschen in der EU Deutsch sprechen.“ Es könne daher nicht sein, daß der EAD ausschließlich Englisch und Französisch als Arbeitssprache vorsehe. Reinhart spielte den Ball zu Außenminister Westerwelle weiter: „Wir haben den Außenminister bei dessen Antrittsbesuch aufgefordert, alles in seiner Macht stehende zu tun und sich für Deutsch als dritte Arbeitssprache einzusetzen.“
Reinhart beruft sich auf eine Zusage Westerwelles, sich auf allen Ebenen für eine Stärkung der deutschen Sprache einzusetzen. Der ließ es nicht an markigen Worten fehlen: „Ich gebe nicht als Außenminister 300 Millionen Euro pro Jahr zur Förderung der deutschen Sprache in der Welt aus, um anschließend in Deutschland selbst auf die deutsche Sprache zu verzichten.“ Im Bundestag erklärte er, daß eine angemessene Rolle der deutschen Sprache beim EAD ein „zentrales Anliegen der Bundesregierung“ sei. Etwas weniger forsch schreibt er in einem Brief an Ashton, die deutsche Sprache müsse beim EAD „möglichst weitgehend verwendet“ werden.
Sprachschule in der Provence
So weit wie die französische Regierung, die der EU-Außenministerin Ashton einen Sprachkurs in Frankreich empfahl, geht die deutsche jedoch nicht. Ashton hatte sich sogleich beeilt zu versichern, daß sie noch im Frühling eine Woche lang eine Sprachschule in der Provence besuchen werde. Hätte ein deutscher Staatssekretär in ähnlicher Weise einen Sprachaufenthalt in Bayern vorgeschlagen, hätte ihn Ashton wohl ausgelacht. Die Moral von der Geschichte: Wer Mitbestimmungsrechte aufgibt, darf sich nicht wundern, wenn er eines Tages nichts mehr zu sagen hat – schon gar nicht in seiner eigenen Sprache.