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Honecker & Kohl

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Cato, Palmer, Exklusiv

Erich Honecker, der langjährige Partei- und Staatschef, beging 1992 seinen 80. Geburtstag im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit. Wenige Jahre zuvor hatte er auf einem Plenum des SED-Zentralkomitees verkündet: „Wir sind die Sieger der Geschichte.“ Sein Staatsbesuch 1987 in Bonn besiegelte für ihn diesen Anspruch.

In den Klassenkämpfen der Weimarer Republik und dann im antifaschistischen Kampf politisch sozialisiert, glaubte er an den proletarischen Internationalismus und den übrigen marxistisch-leninistischen Zinnober. Er glaubte, daß die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen war und daß im Ostblock die grenzüberschreitende Arbeiterbewegung die Machtpolitik alten Stils für alle Zeiten abgelöst hatte: Ein ideologischer Tunnelblick, der ihm das Verständnis für den Charakter und die Handlungslogik der russischen Hegemonialmacht versperrte. Die ließ ihn fallen, als die Existenz der DDR nicht mehr ihrem politischen Kalkül entsprach. Honecker mußte büßen, daß er das Geheimnis seiner abgeleiteten Macht so gründlich mißverstanden hatte.

In das europäische Abenteuer stürzen

Der langjährige Bundeskanzler Helmut Kohl begeht seinen 80. Geburtstag trotz vergleichbarer körperlicher Hinfälligkeit unter unvergleichlich komfortableren Bedingungen. Als 1989 die russische vor der amerikanischen Hegemonialmacht einknickte, erkannte er sofort die Chance, die DDR in die westliche Hemisphäre hinüberzuziehen und der Bundesrepublik anzuschließen. In einem technischen Sinne hat er 1989/90 alles richtig gemacht. Wird er also als „Kanzler der Einheit“ in die Geschichte eingehen? Vielleicht. Es kann aber auch ganz anders kommen, und das schon sehr schnell.

Den Anlaß dürfte der schlampig konzipierte Euro liefern, der Europa enger zusammenschließen sollte, der sich aber schon zu einem Zeitpunkt, da die Griechenland-Krise noch gar nicht zur Reife gekommen ist, als Spaltpilz erweist. Ohne ihn, das hat Kohl immer wieder betont, wäre der Euro in Deutschland nicht durchgesetzt worden. Vorgestern im ZDF bestätigte Daniel Cohn-Bendit das ausdrücklich. Kein französischer Präsident hätte getan, was Kohl getan hat: Nicht erst die innerstaatliche Konsolidierung abzuwarten, sondern sich gleich in das europäische Abenteuer zu stürzen.

Zu diesem Zweck hat Kohl alle wirtschaftliche und finanzpolitische Vernunft negiert. Negiert hat er auch den Hintersinn Frankreichs, dem es um die währungs- und damit machtpolitische Neutralisierung Deutschlands ging. Der Raffinesse der französischen Politik, die den Deutschen die D-Mark entwand, ohne eine Gegenleistung in Form von politischen Sicherheiten und Kontrollmöglichkeiten zu gewähren, hatte er nichts entgegenzusetzen. Sicher, in einem höheren Sinne und aus globaler Perspektive wirkten die Pariser Eifersüchteleien anachronistisch, doch da sie politisch von Bedeutung sind, hätte man sie bedenken und überspielen müssen, so lange man noch ein Faustpfand in der Hand hatte.

„Verschwörung der Flakhelfer“

Es waren nicht einfach nur fehlende ökonomische Kompetenz (die Kohl mit Honecker übrigens teilte), die ihn ins Desaster steuern ließ. Was dem Honecker der proletarische Internationalismus, das sind dem Kohl eine holzschnittartige Europa-Ideologie und die „westliche Wertegemeinschaft“ gewesen.

Günter Maschke hat dazu vor 25 Jahren viel Erhellendes in dem Aufsatz „Die Verschwörung der Flakhelfer“ geschrieben. Diese Generation, zu der er Dahrendorf, Enzensberger, Habermas und eben auch Helmut Kohl zählte, sei „ein Opfer der Gemeinschaftskundewelt, der Care-Pakete, der amerikanischen Stipendien für ‘Demokratiewissenschaft’ (Politologie) und der Legenden vom britischen Parlament“ geworden. „In einem ist sich diese Generation einig: Nie wieder darf Deutschland eine Macht bedeutenderen Zuschnitts sein. Unaufhörlich betonen Vertreter dieser Generation, die allesamt glauben, die Macht sei böse und eine Macht für Deutschland das Böseste, daß Deutschland, auch das wiedervereinigte, zur Schwäche verurteilt sei …“

Und auf dieser geistigen Basis soll ein großer Staatsmann entstanden sein? Kohl kann nur noch beten, daß Deutschland und er selbst von keiner ökonomischen, Finanz- und Währungskatastrophe ereilt werden.

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