„Deutsch ist inoffizielle Amtsprache dieser olympischen Winterspiele.“ Das meint zumindest Die Welt. Wie bitte? Hat sich nicht gerade der Wintersport von der deutschen Sprache weit entfernt? Dort wimmelt es doch nur so von englischen Ausdrücken. Die Bezeichnungen einiger Disziplinen der Winterspiele, die soeben begonnen haben, sind da nur die Spitze des olympischen Eisberges:
Curling – warum nicht: Eisstockschießen? (Ja, es gibt verschiedene Formen des Eisstocksports, eine davon ist eben olympisch.)
Freestyle-Skiing – warum nicht: Freistil-Schi?
Shorttrack – warum nicht: Kurzbahn (Eislauf)?
Skeleton – warum nicht: Skelettschlitten?
Snowboard – warum nicht: Schibrett? (Dieses Sportgerät erfand ein Österreicher im Jahr 1900 als „Monogleiter“.)
Deutsche Englischpuristen
Aus Bequemlichkeit oder um Eindruck zu schinden, wird heute alles zum Fachbegriff geadelt; und der muß dann natürlich ein möglichst „internationales“ = englisches Fremdwort sein. Dieses gilt dann den deutschen Englischpuristen als selbstverständlich „unübersetzbar“. Wer sich jedoch über deutsche Entsprechungen belustigt, der sollte daran denken, daß wir ohne Konrad Koch zur beliebtesten Sportart der Deutschen heute noch „Football“ sagen würden.
Zu alledem finden die Spiele diesmal im kanadischen Vancouver statt, also im englischen Sprachraum. Wir erwarten folglich, daß die Berichterstatter des öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehens wieder möglichst viele englische Wortbrocken in ihre Beiträge einfließen lassen, um mangelnde Sachkenntnis und fehlende Weltläufigkeit irgendwie auszugleichen.
Beim Besäufnis liegt Deutsch vorn
Manche der Fernsehkommentatoren würde man dann gerne zur Deutscholympiade der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung einladen wollen. Dieser Wettbewerb ist zwar eigentlich für die Neuntkläßler aller Schulformen gedacht, könnte aber gewiß so manchem Erwachsenen auch nicht schaden. Die könnten sich dann in den fünf Disziplinen Reimen, Umschreiben, Erzählen, Erklären und Darstellen beweisen. Scheint dieser Wettbewerb nicht wie gemacht zu sein für unsere Fernsehberichterstatter?
Ach ja: Warum sollte denn nun Deutsch die „inoffizielle Amtsprache dieser olympischen Winterspiele“ sein? Die Welt klärt auf: Bei allen Winterspielen gebe es ein „German House“: mit „Freibier, Würstchen, Live-Musik und ‚german gemutlichkeit‘“. Mit anderen Worten: Beim Besäufnis verteidigt die deutsche Sprache noch ihr Weltniveau. Na dann: zum Wohl, und lallt mal schön weiter.
Ich muß mich jedenfalls wieder meiner persönlichen Wintersportart widmen. Wer weiß, vielleicht wird sie eines Tages noch olympisch? Dann aber nur unter dem anglisierten, „internationalen“, „unübersetzbaren“ Fachausdruck: „Schneeschaufeling“ – oder besser „Snowshipping“?