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„Es diente als Sack, als Unterkleid, als Bettlaken“

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„Es diente als Sack, als Unterkleid, als Bettlaken“

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Das Jagdschloß Grunewald, Berlins ältestes Schloß, das Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, der Vorfahre des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, 1542 errichten ließ, wurde nach dreijähriger Restaurierung am 28. Mai 2009 mit der Ausstellung „Von Angesicht zu Angesicht“ zur Porträtmalerei in Berlin-Brandenburg von den Repräsentationsbildnissen des Großen Kurfürsten bis zu den Bürgerporträts des 19. Jahrhunderts wiedereröffnet. Viele der bis Oktober dieses Jahres präsentierten Porträts in Öl, die zwischen 1660 und 1890 entstanden, stammen aus altem Schlösserbesitz und wurden bereits 1932 bei der ersten Eröffnung des Schlosses als Museum ausgestellt. Ein großer Teil wurde jedoch erst nach 1945 angekauft.

Das mit 162 x 200 Zentimetern größte Gemälde ist die „Verherrlichung des Großen Kurfürsten als Beschützer der Künste“ von dem Barockmaler Michael Willmann aus dem Jahr 1682. Die Herrscherallegorie zeigt den auf dem Thron sitzenden Kurfürsten, die Insignien der Macht neben sich auf einem Tisch. Auf der rechten Seite huldigen ihm die Personifikationen der Malerei, Architektur und Skulptur als Förderer der Künste in Friedenszeiten. Die Götter Apoll, Minerva und Herkules verweisen auf die Anstrengungen des Herrschers, den Frieden zu bewahren. Während die Personifikation des Überflusses aus ihrem Füllhorn Münzen an die Künste verteilen läßt, verkündet Fama mit ihrem Schriftzug „Immortalitati“ die Unsterblichkeit des Ruhms.

Zwar wird in dem Begleitheft zur Ausstellung erwähnt, daß der 1630 in Königsberg geborene Willmann um 1657 bis 1658 Aufträge für den kurfürstlichen Hof in Berlin ausführte, aber über die Herkunft und das außergewöhnliche Schicksal des bisher im Depot von Schloß Charlottenburg lagernden Gemäldes 1944/45 erfahren wir nichts. Das Gemälde stammt aus dem einst zur Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten gehörenden Königsberger Schloß! Alfred Rohde, der Direktor der Städtischen Kunstsammlungen, erwähnt die „Apotheose auf den Großen Kurfürsten“ noch im letzten Schloßführer von 1942 im Audienzimmer des Südostflügels.

Bis vor einigen Jahren war nur ein vereitelter Versuch bekannt, 1944 wegen der Gefahr von Luftangriffen Inventar aus dem Königsberger Schloß nach Kassel auszulagern. So schreibt Maurice Philip Remy in seinem Buch über das Bernsteinzimmer (2003): Schlösserdirektor Ernst Gall „hatte wegen der Lage an der Ostfront die Evakuierung des historischen Inventars des Schlosses nach Kassel angeordnet. Am 28. Juli ging man daran, die kostbare Einrichtung in drei Möbelwagen der Königsberger Speditionsfirma Joseph Radke zu verladen. Der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht (…) muß den Umzug im Schloßhof von seinen Diensträumen aus bemerkt haben; er verständigte umgehend und diensteifrig das Oberpräsidium. Kurz darauf stoppte Kochs Stellvertreter im Oberpräsidium (…) die Arbeit ‘wegen Beunruhigung der Öffentlichkeit’ und befahl, die Möbelwagen sofort wieder zu entladen.“

In einem Brief Rohdes an Geheimrat Heinrich Zimmermann, den Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin, vom 7. August 1944 – nur drei Wochen vor dem großen britischen Luftangriff am 30. August, bei dem das Königsberger Schloß in Schutt und Asche sank – heißt es: „Als vor 10 Tagen Gall (…) die Evakuierung der Kunstschätze aus dem Schloß nach Kassel vorschlug und die entsprechenden Maßnahmen in Angriff genommen wurden, hat der Oberpräsident, nachdem er davon erfahren hatte, sofort die Durchführung der Maßnahmen verboten, um keine Panik aufkommen zu lassen.“

Schließlich gelang es aber doch noch – unter offenbar nicht mehr näher bekannten Umständen –, Teile des Inventars der Königlichen Gemächer „ins Reich“ auszulagern, allerdings nicht nach Kassel, sondern nach Schloß Rheinsberg in der Mark Brandenburg. Räume dieses Schlosses, das bei der Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Staat und dem vormals regierenden Preußischen Königshaus 1926 im Besitz der Hohenzollernfamilie verblieben war, stellte 1942 die Generalverwaltung des Königshauses als Auslagerungsort für die Kunstschätze aus den preußischen Schlössern zur Verfügung.

Tilo Eggeling, ehemaliger Referent für Denkmalpflege der nunmehrigen Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, erwähnt in „Königsschlösser – Museumsschlösser“ (1998), daß auch Gemälde und Möbel des Königsberger Schlosses nach Rheinsberg ausgelagert wurden und bei Kriegsende verloren gingen. Im Verlustkatalog der Gemälde der Stiftung von 2004 heißt es zur Auslagerung nach Rheinsberg lapidar: „Größere Abtransporte wurden vom Gauleiter untersagt.“

Genaue Auskunft über alle nach Rheinsberg evakuierten Gemälde geben als unschätzbare Primärquelle die vor dem Inferno geretteten Inventarbücher des Königsberger Schlosses, in denen 1944 ein Beamter, wahrscheinlich Schloßoberinspektor Friedrich Henkensiefken, der letzte Schloßverwalter ab 1937, mit Bleistift die Auslagerung neben den betreffenden Stücken durch „Rheinsberg (laut Rapport) R I 44“ vermerkt hat.

Stadthistoriker Fritz Gause schreibt hingegen 1952, daß das Gemälde des Großen Kurfürsten „auf wunderbare Weise nach 1945 aus dem zerstörten Königsberger Schloß gerettet wurde“, und auch im Stadtlexikon „Königsberg von A – Z“ (1972) von Herbert Meinhard Mühlpfordt heißt es: „in einer unglaublichen Odyssee aus K(önigsberg) gerettet“.  

Rohde, der Ende 1945 in Königsberg an Hungertyphus starb, würdigt den Maler im Kapitel „Michael Willmann, der ‘schlesische Rafael’“ seines Büchleins „Königsberger Maler im Zeitalter des Simon Dach“ (1938): „Die erste Anleitung in der Malerei erhielt er von seinem Vater (Peter Willmann, gestorben 1665) in Königsberg und jung, als 20jähriger, ging er nach Holland. Die großen Maler seiner Zeit zogen ihn an, sie rissen ihn in ihren Bann und wurden ihm Schicksal und Verhängnis zugleich: der kleinbürgerlich verkannte, glühend erdgebundene Rembrandt auf der einen Seite, der gefeierte und bezaubernde Rubens und der ihm verwandte, aber romantischere van Dyck, die schon nicht mehr zu den Lebenden zählten, auf der anderen Seite.“ Und: „Man kann sich kaum denken, daß dieser Maler (…) in der Apotheose auf den Großen Kurfürsten das höfischste und hoffähigste Bild des 17. Jahrhunderts schuf.“

Nun ist aus dem Königsberger Schloß noch ein zweites Porträtgemälde nach Rheinsberg ausgelagert worden, das leider im Jagdschloß Grunewald nicht gezeigt wird. Die Höhe von 260 Zentimeter des gleichfalls im Depot des Schlosses Charlottenburg verwahrten überlebensgroßen Doppelbildes kann nicht der Grund dafür gewesen sein, daß es nicht in dem Renaissanceschloß am Ufer des Grunewaldsees aufgehängt wurde, dessen Wände über drei Meter hoch sind. Es ist das in Rohdes Schloßführer von 1937 abgebildete Gemälde „Der Große Kurfürst und seine erste Gemahlin Luise Henriette“, geb. Prinzessin von Oranien, die der 1654 in Königsberg verstorbene Hofmaler Mathias Czwiczek 1649 – drei Jahre nach ihrer Hochzeit in Den Haag – porträtiert hat und das bis zuletzt im Fliesensaal des Ostflügels hing.

Burkhardt Göres, Direktor der Schlösser und Sammlungen der Stiftung, berichtet 2004 über die Wiedererlangung der Gemälde: „Insgesamt gelangten in den Nachkriegsjahren sechs Gemälde (zwei aus Königsberg) aus dem Rheinsberger Auslagerungsgut, mehr oder weniger stark beschädigt, nach West-Berlin.“ Und jüngst teilt er auf Nachfrage mit: „Die Gemälde von Willmann, Czwiczek aus Königsberg (…) sind auf für uns nicht nachvollziehbare Weise aus Rheinsberg nach Charlottenburg gekommen, und wir vermuten, (…) daß der (1945 in den Westen geflüchtete) Forstmeister Bartels dies organisiert hat, der wohl Beamter der Generalverwaltung des vormals regierenden Königshauses war.“

Nach Auskunft von Kustos Gerd Bartoschek hat Bartels die beiden Gemälde 1945 zusammengefaltet nach West-Berlin gebracht. Die Beschädigungen des Willmann-Gemäldes durch die Faltung sind trotz der Restaurierung noch deutlich zu erkennen. Von den im Ganzen aus dem Königsberger Schloß nach Rheinsberg ausgelagerten und 1945 von der sowjetischen Armee geplünderten und verschleppten 43 Gemälden und Bildern werden heute noch immer 39 vermißt. Auch von den Möbeln aus dem Königsberger Schloß sind einige erhalten geblieben. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Dr. Heinrich Lange hat Klassische Archäologie in München studiert. Seit geraumer Zeit forscht er nach dem Schicksal der Sammlungen aus dem Königsberger Schloß nach 1945. Noch in diesem Jahr erscheint von ihm zusammen mit Wulf D. Wagner der zweite Band einer Gesamtdarstellung „Das Königsberger Schloß“ (Band 1, siehe JF 27/08).

Foto: Michael Willmann, Verherrlichung des Großen Kurfürsten als Beschützer der Künste (1682): Vor dem Inferno gerettet

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