Konservative und Rechtsintellektuelle orten den politischen Gegner reflexartig links. Wer steht dort aber noch, und wer ist gemeint?
Zunächst gellen die gewerkschaftlichen Trillerpfeifen im Ohr, trauriger Ausweis politischer Impotenz und Sprachlosigkeit. Haben die Pfeifen mal Pause, halten schmerbäuchige Funktionäre testosteronhaltige Reden, was nicht hindert, daß dieselben Schwerverdiener schon nächsten Tages im Aufsichtsrat den Boni ihrer heimlichen Managervorbilder zustimmen.
Immerhin haben die Gewerkschaften den Zulauf jugendlicher Angstkundschaft, ganz im Gegensatz zur ältlichen SPD, die noch immer für Mittelstandswagen, Mittelmeerreisen und Frauenbeauftragte jeden revolutionären Impetus verriet und zur Partei der kleinen Besitzstandswahrer und lauen Altintellektuellen, der Grass-Leser und Schlöndorff-Fans abstieg. Dort gilt schon als links, wenn man nach dem dritten Viertel Châteauneuf du Pape einen Pahl-Rugenstein-Band aus dem Regal zieht und vorsichtig bereit ist, über einen Sozialismus des mittleren Preissegments zu reden.
Zum sozialdemokratischen Platzhalter der in der Mitte versandeten Sozialdemokratie avancierte die „Linke“. Für deren Gesicht steht die artige Pionierleiterin und Neudemokratin Petra Pau ebenso wie der entgrenzte Privatier Oskar Lafontaine und all die folkloristischen Nachträumer von DDR und PLO mit ihren Stickern, Shirts und Fähnchen und der nervösen Pinnwandkultur, deren Spektrum von „Cuba si“ bis Ökostrom reicht. Radikaler die „Antifa“ – so radikal, daß sie Gegner ausmacht, wo gar keine sind.
Die Linke verfügt über intellektuelles Potential
Andererseits verfügt die junge Linke über intellektuelles Potential. Zum Erbteil des Marxismus gehört ein analytisches Verfahren, das der Gesellschaft ins ökonomische Getriebe schaut und sich nicht vom Hochglanz polierter Oberflächen blenden läßt. Ein Probe-Abo der Jungen Welt belehrt darüber, mit welch hohem Aufwand ideologisch gearbeitet wird – inhaltlich gründlich, in umfangreichem Text, gewitzt, frech und polemisch, ohne für eine flotte Pointe politische Farbe zu vernachlässigen. Auseinandersetzung mit solchen Gegnern wäre herausfordernder als ein bißchen Briefwechsel mit dem Schweriner SPD-Landtagsabgeordneten Matthias Brodkorb und kulturpessimistische Pastoralen.
So offensiv wie die Junge Welt und andere Gazetten der noch auskunftsfähigen Linken auftreten, vertrügen sie den journalistischen Angriff von rechts, der ihr Menschen- und Geschichtsbild stellt, sie zu präziser Sprache über Krieg und Frieden ebenso zwingt wie dazu, das „Prinzip Hoffnung“ zu revidieren. Eine intellektuelle Rechte, die nicht mehr rechts sein will, braucht gegen eine Linke, die betont von Marx, Gramsci, Bloch herkommt, kaum anzutreten.
Daher bedarf es des Mutes, sich zu positionieren und Augenhöhe herzustellen, anstatt sich nur im eigenen Lager des Wohlwollens der Gefährten zu versichern. Und Querfront? Weshalb denn nicht, wenn in der „politischen Mitte“ nur rhetorische Gespenster wanken! Der politische Gegner sitzt weniger in Redaktionsstuben mit Rosa-Luxemburg-Postern, sondern in den Ministerien ideeller Stillstandverwaltung. Zugluft täte da not, auch mal von rechts nach links, und umgekehrt.