Es gibt Begegnungen, die einen für das ganze spätere Leben prägen. Eine solche Bedeutung hatte für mich auch die Begegnung mit Erik von Kuehnelt-Leddihn bei einer Tagung im Frühjahr 1992. Ich erlebte einen polyglotten Universalgebildeten, der einen konservativ-katholischen Standpunkt vertrat und durch seine forsche, unkonventionelle Art wie auch durch sein umfassendes Detailwissen begeistern konnte und alle seine Gegner schwach aussehen ließ.
Aufgrund eines Unfalls hatte Erik Maria Ritter von Kuehnelt-Leddihn – von seinen Freunden nur „der Ritter“ genannt – damals einen Bluterguss über das halbe Gesicht, der ihn noch exzentrischer aussehen ließ. Seinen ersten Vortrag begann er mit der Frage: „Was ist links und was ist rechts?“. Er beschrieb das Spannungsfeld von Freiheit und Gleichheit, das sich durch die ganze Geschichte zieht. Alle Denkarten, die der Freiheit den Vorzug vor der Gleichheit geben, sind für ihn „rechts“.
Dieses Wort muß etymologisch von „richtig“ abgeleitet werden. Alle Systeme aber, die eine Gleichheit auf Kosten der Freiheit wollen, sind nach Kuehnelt Leddihns Definition „links“. Dazu gehören alle Formen des Sozialismus, der nationale wie der internationale. Kurz: Kuehnelt-Leddihn war nicht nur ein Konservativer, sondern auch ein Verteidiger der Freiheit.
Erik von Kuehnelt-Leddihn: Plädoyer für eine „katholische Kultur“
Was mich aber besonders beeindruckte, war sein dezidiert katholischer Standpunkt. Ihm war klar, daß der Glaube heute weitgehend verdunstet ist und daß wir nur noch vom „Geruch der leeren Flasche“ leben. So plädierte er für eine „katholische Kultur“, die es wieder zu schaffen gilt.
Daher wandte er sich heftig gegen die Linkskatholiken, die eine Versöhnung von Kirche und Moderne anstrebten. Durch „den Ritter“ bin ich später auch auf Nicolás Gómez Dávila aufmerksam geworden, der ähnliche Gedanken vertritt.
Eine liberale, angepasste Kirche ist kraftlos und begeistert niemanden. Gerade die jüngsten Ereignisse haben dies bestätigt, als sich der Moslem Navid Kermani, der sich schon früher positiv über Papst Benedikt äußerte, in einer Betrachtung dem christlichen Kreuz näherte. Was er kritisiert, ist ein liberaler Katholizismus. Und genau dafür bekam er Schelte.
„Der gefallene Engel“
Die Gedanken des „Ritters“ sind hochaktuell. Jetzt steht ein Doppeljubiläum Erik von Kuehnelt-Leddihns an: sein zehnter Todestag am 26. Mai und sein hundertster Geburtstag am 31. Juli dieses Jahres. Dies war für mich ein Grund, nachdem ich seine essayistischen Werke kenne nun auch einen Roman von ihm zu lesen. Ich entschied mich für den Zukunftsroman „Moskau 1997“ aus dem Jahr 1940.
Dieser war sein erfolgreichster und erlebte zahlreiche Auflagen, zuletzt bei Herder unter dem Titel „Der gefallene Engel“. Er handelt von dem Kampf des Gläubigen gegen einen militanten Kommunismus einerseits und gegen ein sattes, selbstzufriedenes Kleinbürgertum andererseits.
Die kleinbürgerliche Welt hat den Tierschutz zur Ersatzreligion erkoren. Dem Untergrundbischof wirft man vor: „Im Foyer machten Sie ein-, zweimal taktlose Bemerkungen über das Nichtvorhandensein einer Seele in den Tieren. Das ist von Zeugen bestätigt worden … Schließlich warfen Sie dem Hund einmal Ihre Zimmertür knapp vor der Nase zu, so daß das arme Tier ganz ausgesprochen einen Nervenschock erlitt. Das sind Dinge, die wir hierzulande in einem zivilisierten Staat einfach nicht angehen lassen.“
Gedanken sind hochaktuell
Andererseits ergeben sich für den Untergrundbischof ganz unerwartete Allianzen: „War es nicht eigenartig, daß der Gottlose ihm, dem Erzbischof, Fingerzeige gab, wie er sich zu diesem Dasein einzustellen hatte. Was war in Jurij? Die natürliche christliche Seele, die aus ihm sprach, oder noch das Erinnern an den Glauben der Kindheitstage?“
Kaum zu glauben, daß dieser Roman schon vor fast fünfzig Jahren geschrieben wurde! Vor den Ereignissen unserer Tage erscheint er höchst aktuell.