In Krisenzeiten und Zeiten des Übergangs und der Unsicherheit schlägt regelmäßig auch die Stunde der Obskuranten, der pseudokritischen Blender, Harlekine und Hobbypsychologen. So oberflächlich und substanzlos deren Philosophie auch ist, zeichnet sie sich durch die ungeheure Fähigkeit aus, ihr eigenes durch und durch von Absurditäten und eklatanten Widersprüchen geprägtes Universum als einzig denkbare und natürliche Ordnung erscheinen zu lassen und ihre Verhaltensweisen und aporetischen Denkfiguren als die menschlichen schlechthin.
Wie schwer diese Suggestionsmacht zu durchschauen ist, die gerade in der Krise weniger ihr Ende als vielmehr ihre Vollendung findet, versteht man nach der Lektüre der aktuellen Ausgabe (März 2009) der monatlich erscheinenden Zeitschrift Psychologie Heute möglicherweise ein wenig besser. So erfahren wir unter anderem, daß die Fähigkeit, zur Ruhe zu kommen, alle äußeren Reize abzuschalten, auf Ablenkung zu verzichten und sich vielleicht sogar eine Zeitlang abzusondern, um einmal mit sich allein zu sein, bereits von vielen Menschen als Sinnvakuum verstanden wird, ein Gefühl der Einsamkeit und Verlorenheit erzeugt und bei manchen sogar panikähnliche Zustände auslöst.
Philosophen wie Martin Heidegger haben die Langeweile als „schweigenden Nebel“ dagegen zur existentiellen Erfahrung ohnegleichen erhoben, Arthur Schopenhauer beschrieb sie als „mattes Sehnen ohne bestimmtes Objekt“, die griechischen Stoiker verbanden als praktische Philosophen Langeweile mit Lebenskunst, die Mönche erhöhten Stille und Abgeschiedenheit gar zum Inhalt ihres kontemplativen Daseins. Doch der moderne Mensch sieht seine psychische Integrität in Gefahr und fühlt sich schnell mißachtet, wenn er einmal zwei Stunden keinen Anruf oder keine SMS empfangen hat, greift hektisch zu seinem Mobiltelefon und vergibt sich damit eine echte Chance zur Besinnung. Ein Zwangszusammenhang, der den meisten leider bereits gar nicht mehr bewußt ist.
Tatsächlich kann Langeweile jedoch durchaus eine produktive Kraft sein und darf keinesfalls mit sündhafter Trägheit, Schwerfälligkeit oder Überdruß verwechselt werden. So erschloß sich für Heidegger das Leben, wenn man das Dasein bejahe, annehme, was ist, und die Dinge ohne Ziel tue, einfach weil sie aus sich heraus motivierten. Für Mediziner und Verhaltenspsychologen entwickelt sich im Innehalten ein „Instinkt für das Wesentliche“. Doch müssen wir zuvor verstehen lernen, daß dazu vor allem Zeit und Muße, Langeweile also, notwendig sind.
Dagegen geht die moderne Soziologie davon aus, daß wir auf eine neue Gesellschaftsform zusteuern, die nicht mehr von festen Organisationsstrukturen bestimmt wird, sondern von permanenter Mobilität. Trendforscher Matthias Horx bezeichnet dies euphorisch als „Megatrend“ und deutet die immensen Verkaufszahlen von portablen Computern, Musikspielern und Mobiltelefonen als schlagenden Beweis für eine zunehmende weltumspannende Mobilität. Andere Forschungen legen jedoch nahe, daß sich die Mobilität in Deutschland auf dem gegenwärtigen Stand einpendeln wird.
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