Wer schon immer etwas über die plastische Deckung von Lidsubstanzdefekten oder die kombinierte topische, intrakamerale und subkonjunktivale Anästhesie bei Kataraktoperationen wissen wollte, sollte am Wochenende (25./26. November) nach Haldensleben bei Magdeburg fahren und dort auf dem 14. Jahrestag der Gesellschaft für Augenärzte Sachsen-Anhalts und Thüringens (SATh) den Vorträgen von Dr. med. Markus Motschmann lauschen. Der Chefarzt der Augenabteilung des Ohrekreis-Klinikums in Haldensleben hat den Kongreß auf Schloß Hundisburg organisiert, leitet ihn als Tagungspräsident und hält selber vier Vorträge, zwei davon zu den genannten Themen. Der 41jährige Arzt – Sohn des JF-Kolumnisten Klaus Motschmann – gilt in Fachkreisen als anerkannter Experte auf seinem Gebiet. Nach seinem Medizinstudium in Berlin (1983-1990), einer Ausbildung zum Facharzt für Augenheilkunde (1991-1995) und einer vierjährigen Tätigkeit als Oberarzt der Universitätsaugenklinik Magdeburg übernahm er 1999 als einer der jüngsten Chefärzte in Deutschland seinen heutigen Posten. In über 60 Vorträgen hat er auf Ärztekongressen im In- und Ausland über seine wissenschaftliche und praktische Tätigkeit berichtet, und im Herbst 2003 verbrachte er seinen Jahresurlaub in Simbabwe, um dort in Kooperation mit der Christoffel-Blindenmission kostenlos etwa 270 Schwarze zu operieren. Über diesen humanitären Einsatz sollte er Ende Oktober auf Einladung seiner alten Schule – des in Trägerschaft des Jesuitenordens befindlichen Canisius-Kollegs in Berlin-Tiergarten – auf einem Projekttag für Schüler berichten. Zugesagt hatte Motschmann bereits im Sommer, sein Referat war ausgearbeitet, als ihn wenige Tage vor seinem Auftritt ein Brief des Rektors der Schule erreichte. Darin teilte Pater Klaus Mertes SJ mit, daß er bei den Vorbereitungen auf den Projekttag „realisiert“ habe, daß Motschmann „jedenfalls Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre“ Mitglied der Republikanischen Partei war. Deswegen müsse er nun eine Entscheidung treffen, „ob ich Sie als Referenten vor Schülern zulassen kann“. Vorher wolle er aber mit ihm, Motschmann, „ein klärendes Gespräch führen“. Der Rest ist schnell erzählt: In einem Telefonat mit Mertes lehnte Motschmann es ab, sich von seiner früheren Mitgliedschaft bei den Republikanern (er war bereits 1995 ausgetreten) zu distanzieren. Nur einen Tag später folgte schriftlich seine Ausladung mit der abstrusen Begründung, der Projekttag solle nicht „belastet“ werden „mit einem Konflikt, der zwischen Ihnen und der Schule noch nicht geklärt“ sei. Motschmanns parteipolitisches Engagement stehe im Widerspruch zu leitenden Wertvorstellungen, zu denen das Canisius-Kolleg erziehen will. Der Projekttag sei nicht der richtige Ort, um diesen „Konflikt“ zu klären. Den Schlußpunkt in dieser für das katholische Gymnasium peinlichen Affäre setzte dann Motschmann in einem gepfefferten Brief an Pater Mertes. Die Korrespondenz sei „ein geradezu entlarvendes Beispiel für die weit vorangeschrittene Infiltration und Expansion der ‚political correctness'“, schrieb der Chefarzt. Die Motivation für seine Ausladung sei „unredlich“ und Ausdruck einer „Hörigkeit vor den Diktaten der Revolutionswächter des ‚Aufstandes der Anständigen'“. Der Gegenstand seines geplanten Vortrags, ein humanitärer, medizinischer Einsatz in einem der ärmsten Entwicklungsländer der Welt, sei „ein praktisches Beispiel für die Umsetzung von Erziehungsinhalten, die zu meiner Zeit jedenfalls noch am Canisius-Kolleg gelehrt wurden“. Diese Zeiten scheinen freilich lange, sehr lange vorbei zu sein.
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