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Segen und Fluch

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Alben mit Superlativen im Titel sind nicht selten eine zweifelhafte Angelegenheit. Häufig stellen Firmen, die die entsprechenden Künstler längst wieder verlassen haben, lieb- und wahllos älteres Material eines Acts zusammen, an dem sie die Rechte besitzen, nur um aus den betagten Songs soviel Geld wie möglich herauszupressen. Gerade Musiker, die schon lange im Geschäft sind und mit mehreren Firmen kooperiert haben, kommen bei solcherlei Sperenzchen oft schlecht weg, umfaßt so eine Werkschau doch naturgemäß nur jene Periode, die der Künstler mit der jeweiligen Firma verbracht hat. Auch Ulla Meinecke, gebürtig im hessischen Usingen, seit Jahrzehnten in Berlin ansässig, veröffentlicht bereits seit fast 30 Jahren Platten – bis heute insgesamt 15 an der Zahl – und durchlief dabei ebenfalls verschiedene Plattenfirmen: TelDec (1977-1979), RCA (1980-1992) und Sony (1993-1999). Seit etwa drei Jahren ist die in den Siebzigern von Udo Lindenberg entdeckte und protegierte Rocklady und Chansonsängerin mit der warm-dunklen Stimme bei der unabhängigen Firma The Berliner unter Vertrag. Tatsächlich haben auch TelDec-Nachfolger EastWest und RCA-Aufkäufer BMG in den letzten Jahren eine Vielzahl obskurer „Best of Ulla Meinecke“-CDs auf den Markt geworfen, die – so echauffierte sich die 52jährige völlig zu Recht – ihrem kreativen Schaffen in seiner Gesamtheit keineswegs gerecht werden. Deswegen suchte Ulla Meinecke für ihre aktuelle CD „Im Augenblick“ (The Berliner/SPV) 13 Lieder aus den Jahren 1983 bis 2004 heraus – persönliche Favoriten, aber keine aus der Deutschrock-Phase – die sie, zumeist akustisch, von sachten Gitarren getragen, sanft, kaum rockend, eher schleichend und mondän, neu einspielte. „Die Tänzerin“, 1983 der Durchbruch Ulla Meineckes in breitere Hörerschichten, ist mit Sicherheit das bekannteste Stück auf dem Album. Aus einem netten Soul-Pop-Song wird 2005 ein reinrassiges Soulepos ohne unnötigen Schnickschnack, das besonders die stimmlichen Qualitäten der wortgewandten Texterin hervorhebt. Die Rosa-Precht-Komposition „Süße Sünden“ stammt wie „Die Tänzerin“ aus dem bis heute kommerziell erfolgreichsten Album „Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig“ (1983) und mutiert von einem (zu) süßlichen Pop-Reggae zu einer gediegenen Soulballade; bei der Neueinspielung von „Feuer unterm Eis“ übernahm Ex-Ideal-Frontfrau Anete Humpe exklusiv den Chorgesang. Jazzig, feudal wird’s in der Maurenbrecher-Komposition „Ein großes Herz“ (1988), balladesk bei dem ebenfalls 1988 erstmals aufgenommenen Chanson „Lieb ich Dich zu leise“. „Frau um Mitternacht“ hieß einst „Midnight Man“ und war Anfang 1985 ein veritabler New-Wave-Hit für die australischen Synthi-Exzentriker Flash & the Pan. Aktuell wurde aus dem einstigen Ohrwurm ein rohes, bluesiges Stück Folkrock, das mit dem Original kaum noch etwas gemein hat, aber dafür um so faszinierender ertönt. Meineckes letztem Studioalbum „Die Luft ist rein“ (2002) wurden das unnötige „Tierfilmer“ und die Liebeserklärung „In Berlin“ entnommen, eines der stimmungsvollsten, intensivsten Lieder, die der Wahlberlinerin in den letzten Jahren eingefallen sind. Nur mittelmäßiger Pop mit modernen Soul- und Hip-Hop-Einsprengseln ist der einzige bisher unveröffentlichte Song auf dem insgesamt knapp 55minütigen Album, „Wenn 2 (zueinander passen)“. Alles in allem ist „Im Augenblick“ streckenweise ein passables Album, dessen Titel jedoch Segen und Fluch zugleich ist: Einiges hat durchaus die Chance, den kurzen Augenblick des Hörens zu überdauern, anderes ist einen Augenblick später bereits vergessen.

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