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Marc Jongen, ESN Fraktion

Türkei – Nein danke

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Das Barometer fällt. Weniger als die Hälfte der Europäer sind noch zufrieden mit ihrer Union. Zu diesem ernüchternden Fazit kommt das „Eurobarometer 63“, die turnusmäßige Meinungserhebung, für die im Mai und Juni im Auftrag der Europäischen Kommission fast dreißigtausend Menschen in allen 25 EU-Mitgliedstaaten befragt worden sind. Seit letztem Herbst sank der Anteil der Befragten mit positivem EU-Bild um drei Prozentpunkte auf 47 Prozent – in Deutschland sind es sogar noch weniger, 42 Prozent. Trotzdem glaubt immer noch eine Mehrheit, die EU-Mitgliedschaft sei eine gute Sache und das jeweilige Land profitiere davon; 54 bzw. 55 Prozent sind dieser Meinung, Tendenz allerdings ebenfalls fallend. Die EU-Verantwortlichen sehen das als ermutigendes Zeichen – man könnte es auch als resignierte Gewöhnung ans Unvermeidliche sehen. Je kürzer dabei, desto größer die Skepsis, lautet nämlich – mit einigen Abweichungen – die erste interessante Beobachtung bei der Auswertung ds Zahlenmaterials. Richtig froh über die EU sind demnach nur die Luxemburger, Niederländer und Iren – mehr als drei Viertel sehen da ihre EU-Mitgliedschaft als „gute Sache“. Bei den Belgiern und Spaniern sind es immerhin noch zwei Drittel. Die braven Deutschen glauben zu 58 Prozent noch an das Gute in Europa. Bei den Neumitgliedern sieht es dagegen finster aus: Nur bei Slowaken und Litauern liegt die Zustimmung im bzw. über dem EU-Durchschnitt, die anderen bevölkern zusammen mit Franzosen, Schweden und Finnen die Hälfte der Euroskeptiker. Ganz im Keller ist das Barometer bei Österreichern (37 Prozent) und Briten (36 Prozent). Vor allem die EU-Kommission und das Europäische Parlament haben massiv an Vertrauen verloren. Dem EU-Parlament vertrauen noch 52 Prozent (minus fünf), in Deutschland nur noch 46 Prozent – vorher waren es mal 55. Noch vernichtender das Urteil über die Kommission: Von durchschnittlich 52 auf 46 Prozent ist das Vertrauen der Europäer in die Spitze der Brüsseler Eurokratie gesunken, in Deutschland ist der Wert mit 31 Prozent (minus acht Prozentpunkte) am niedrigsten. Fehlende Mitspracherechte auf europäischer Ebene beklagen mehr als die Hälfte der EU-Bürger. Darin liegt freilich ein Widerspruch: Denn die Erwartungen an die EU richten sich vor allem auf die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik – ein Feld, wo traditionelle zwischenstaatliche Politik wenig, schwer kontrollierbare Bürokratien dafür um so mehr Einfluß haben. 44 Prozent sehen im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung die Hauptaufgabe der EU, 47 Prozent im Abbau der hohen Arbeitslosigkeit – in Deutschland sind sogar 60 Prozent dieser Meinung. Vor allem die neuen Mitglieder scheinen sich vom Vorantreiben der Politischen Union eine Stärkung ihrer Mitsprachemöglichkeiten auszurechnen – die Unterstützung dieses Projekts ist bei Slowenen, Slowaken und Ungarn am höchsten, im geübt europafreudigen Deutschland sind immerhin noch 64 Prozent dafür. Die Österreicher nehmen dagegen eine realistischere Haltung ein; nur 40 Prozent befürworten den weiteren Ausbau der politischen Union, eine Mehrheit von 52 Prozent wünscht sich inzwischen gar eine andere EU, die sich auf eine reine Wirtschaftsgemeinschaft beschränkt, wie das Linzer Institut IMAS ermittelt hat. In der Frage der weiteren Ausdehnung der EU-Grenzen scheiden sich die Geister zwischen alten und neuen EU-Staaten. Im Schnitt betragen die Meinungsunterschiede zwischen den 15 bisherigen und den zehn neuen Ländern 27 Prozentpunkte. Trotz ihrer mittlerweile eingetretenen Ernüchterung unterstützen die EU-Neubürger mit großer Mehrheit die Aufnahme weiterer Länder – 79 Prozent der Slowenen, 76 Prozent der Polen und 73 Prozent der Slowaken sind dafür, während in Österreich, Frankreich, Luxemburg und Deutschland die Zustimmung zwischen 31 und 33 Prozent pendelt. Vor allem bei Franzosen und Luxemburgern hat die Opposition zugenommen – das „alte Europa“ weiß jetzt, was der Spaß kostet. Nicht einmal die erweiterungsbegeisterten Neumitglieder sind allerdings mehrheitlich für die Aufnahme der Türkei, die von 52 Prozent aller EU-Bürger abgelehnt wird. 48 bzw. 47 Prozent der Bürger in den zehn neu beigetretenen Staaten wollen die Türkei und Albanien aufnehmen, bei den Altmitgliedern sind es nur 32 bzw. 33 Prozent. Ganze zehn Prozent der Österreicher und 21 Prozent der Deutschen sind für die Aufnahme der Türkei, 80 bzw. 74 Prozent sind dagegen. Wer den türkischen EU-Beitritt weiter betreibt, handelt also klar gegen den Willen der Völker in der EU. Die EU-Kommission behandelt dieses mehrfache Mißtrauensvotum freilich in geübter Abgehobenheit. Symptomatisch dafür ist, daß die Kommentierung der EU-Kommissarin für Information und Kommunikation Margot Wallström übertragen wurde. Nicht die EU, die Bürger selbst sind schuld, wenn sie unzufrieden sind; und dagegen greift man zum bewährten Rezept: Propaganda statt Reformen. Die Zweifel mehren sich, ob das noch lange gutgeht. Foto: Margot Wallström: Propaganda

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